In Bed (Splitter)

Mai 11, 2015

In Bed (Splitter)

Beziehungen im allgemeinen und Ehen im Besonderen pflegen an vielen Dingen zu scheitern, die letztendlich oft nur Schattierungen derselben Erfahrung sind: Routine, Abnutzung, Langeweile, unterschiedliche Erwartungen und das brennende Gefühl, dass das Leben eigentlich anderweitig stattfindet. Das alles durchlebt Luka, der in New York eine Affäre mit der ebenso verheirateten Rachel anfängt. Seine Frau Julia treibt ihn mit ihrem hartnäckigen Kinderwunsch zur Verzweiflung, was er allerdings nicht offen eingesteht, sondern nur im Gespräch mit einem Freund zugibt. Als Julia ihn dann am gleichen Abend ins Bett zieht, ist die Magie des Moments (und Lukas männliche Handlungsfähigkeit) hinüber, sobald sie klar anspricht, dass es ihr auch hier um ein Kind geht. Parallel dazu erleben wir, wie Rachel, ihres Zeichens Schriftstellerin und Mutter zweier Kinder, sich zunehmend von ihrem Mann Henry zurückzieht, der sie seit einiger Zeit nicht mehr anfasst und nun, wohl aus instinktiver Einsicht, dass etwas nicht stimmt, plötzlich wieder die Annäherung sucht.

Während Luka und Rachel ein schmutziges Wochenende in einer Hütte verbringen, kommt es zur Eskalation: Luka rutscht an durchaus entscheidender Stelle der Name seiner Frau über die Lippen – was Rachel verständlicherweise weniger prickelnd findet, ihm aufgibt, er solle vor sich selbst aufrichtig sein und nicht mehr vor seinen Emotionen davonlaufen: „Ich will nicht Dein Notausstieg sein“, wie sie ihm eindeutig klarmacht, bevor sie ihn ungerührt in der Hütte zurück lässt. Julia ihrerseits zieht ihre eigenen Konsequenzen aus der Tatsache, dass Luka sich kaum noch für sie oder ihre Tätigkeit als Kunstgaleristin interessiert: sie trifft sich mit einer losen Bekanntschaft auf ein Date, verlebt dabei einen wundervollen Abend, an dem sie feststellt, dass ihr ihre Sorglosigkeit und Lebensfreude abhanden gekommen ist, und schließlich bereit ist, sich ihrem Verehrer hinzugeben. Der aber erweist sich als wahrer Gentleman und lehnt zunächst ab: „Ein andermal vielleicht… Aber beim nächsten Mal sollte es eine wirkliche Begegnung sein. Das hier hast Du alleine für Dich geplant, ich bin austauschbar. Das ist in Ordnung, ich wusste es, und ich hätte es ja lassen können. Aber nicht noch einmal.“

Rachel wird daheim indessen von ihrem Mann überrascht, der ihr Aufmerksamkeit und Zuneigung und vor allem Zeit entgegenbringt – weshalb sie ihrer Mutter, die sie natürlich durchschaut hat, frank und frei eingesteht, sie habe sich nur etwas beweisen müssen, dass sie noch begehrenswert und attraktiv ist. Das ist gelungen, sie hat das Thema für ihren neuen Roman, und die Ehe ist wieder auf einem guten Wege. Die Selbstfindung gelingt auch Julia, allerdings auf gänzlich andere Art: nachdem er eine Woche bei einem Freund gehaust hat, findet Luka die gemeinsame Wohnung leer, mitsamt einem Abschiedsbrief: „Ich hätte das gerne persönlich mit Dir besprochen, aber ich habe keine Lust mehr, dir nachzulaufen. Es gibt ja auch nichts…“

In leisen, teilweise elegischen Tönen zerlegt Lydia Frost (welch passender Name) hier beziehungspsychologische Mechaniken, wie es auch Dr. Bachmaier nicht besser könnte: Rachel fühlt sich vernachlässigt und sucht lediglich Bestätigung, die ihr Luka so lange geben kann, wie alles problemlos abläuft – „ich will kein Drama“, fasst sie zusammen und stellt schnell fest, dass ihre Familie ihr eben doch wichtiger ist. Luka versteckt sich vor dem Gefühl, im Alltag eingezwängt zu sein – in schönen Parallelmontagen zeigt Kalonji, wie Luka zwar körperlich auf einer Party anwesend ist, im Geiste aber ständig die gerade verbrachte Zeit mit Rachel Revue passieren lässt. Anstelle standhaft die Konsequenz zu ziehen und seine Frau zu verlassen, sucht er allerdings den einfachen Ausweg in Ausreden, Aussitzen und den flüchtigen Treffen mit Rachel. Dass er eigentlich nur das Verlangen nach seiner Frau wiederfinden will, die ihm – durchaus durch eigenes Verschulden – in den Alltag entglitten ist, wird mehr überdeutlich, als er beim Sex mit Rachel ihren Namen sagt. Julia schließlich durchläuft die bemerkenswerteste Entwicklung: sie erkennt, dass ihr zwanghafter Kinderwunsch eigentlich nur ihre Frustration darüber kompensieren soll, dass sich Luka keinen Deut um sie schert. In der Nacht mit ihrem Verehrer blüht sie förmlich auf, findet ihren Geschmack am Leben wieder und würde sich auch sofort hingeben, wird aber verantwortungsvoll in die richtigen Bahnen gelenkt. Dann allerdings ist sie im Gegensatz zu ihrem Mann konsequent und verlässt ihn, um ein neues Leben zu beginnen.

In der Ausbreitung dieser Spannungen scheut Kalonji auch vor expliziten Sex-Szenen nicht zurück: da werden die Schmuckstückchen nach allen Regeln der Kunst dargeboten, eingesetzt und verwöhnt. Aber wo andere wie etwa Howard Chaykin in ‚Black Kiss‘ die Erotik bewusst pornographisch auf Provokation auslegen, fügen sich die sexuellen Erinnerungen von Luka ins Geschehen ein und verdeutlichen, wie sehr er von Rachel als – stets folgenloser – Alternative zu seinem als trist und endgültig empfundenen Leben besessen ist, was auch optisch neben dem dominanten Schwarz-Weiß in sinnlichem Rot gehalten deutlich daherkommt.

Die Vielschichtigkeit, mit der Frau Frost hier zu Werke geht, kann man nur bewundern: einfache Wege gibt es nicht, Langfristbeziehungen leben nicht ohne Pflege, und das Begehren nach neuen Erfahrungen ist legitim – solange man das Rückgrat hat, zu den Konsequenzen zu stehen. So steht Luka, dessen Frustration anfangs noch durchaus verständlich ist, schnell als eigentlich schwacher Charakter dar, der in dem beklagenswerten Zwischenstadium verharrt, in das sich leider allzu viele begeben: ohne Mut, die eigene Unzufriedenheit zu artikulieren, und gleichzeitig ohne Mut, die Situation anzupacken und zu ändern. Und hier sei Dr. Bachmaier dann doch wieder ein Wort gestattet – frustriert und unzufrieden sein, das ist gerade noch erlaubt. Aber feige sein, nichts daran ändern und nicht zu sich selbst zu stehen, das nicht. (hb)

In Bed
Text: Lydia Frost
Bilder: Kalonji
88 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Splitter Verlag
17,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-143-7

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