Grönland, 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Tief in einer riesigen Höhle findet der Forscher Stuart Flint seltsam leuchtende Kristalle, die offenbar besondere Eigenschaften aufweisen. Flint erntet einige dieser Kristalle und schickt Proben davon zur genaueren Untersuchung an zwei bekannte Wissenschaftler. Einer davon ist Simon Bell, Mariannes Vater. Dann kommt der Krieg, die Kristallproben geraten in Vergessenheit. 1942 wird die Pennyworth, das Schiff von Stuart Flint, inzwischen Korvettenkapitän, im Atlantik von einem deutschen U-Boot versenkt. Und mit ihm die Kristalle. Nur Flint scheint den Untergang zu überleben, jedoch hat er sein Gedächtnis verloren. Jahre später, 1959: Nach der Rehabilitation ihres Vaters findet Marianne, die inzwischen mit ihrem Freund Peter in Paris lebt, den kleinen Kristall. Durch dessen Gegenwart bekommt sie visionsartige Flashbacks, die sich als die Erinnerungen Stuart Flints entpuppen. Gemeinsam mit Peter beschließt sie, den Forscher zu suchen und das Geheimnis des Kristalls zu entschlüsseln. Die Erinnerungen führen das Paar nach Rußland. Dort ist ein fast katatonischer Flint seit 15 Jahren in der Obhut von Dr. Leonov. In der Gegenwart von Marianne und des Kristalls erwacht er… (Band 4 „Die vergessene Erinnerung“)
Band 5 („Das Buch des Lebens“): Kurz vor seinem Tod gemahnte Stuart Flint Marianne und Peter, dass alle seine Kristalle gefunden werden müssen. Das heißt: das Wrack der untergegangenen, torpedierten Pennyworth suchen, die Kristalle darin finden und bergen. Doch zuerst beschaffen sich die beiden die zweite Kristallprobe, die seinerzeit an einen Archäologen in Frankreich ging. Dann holen sie den aus den Vorbänden bekannten Dr. Bryan Simpson an Bord, ehe sie ein Schiff, die Scapa Flow, chartern, einen professionellen Taucher anheuern und endlich in See stechen. Jetzt wechselt der Schauplatz der Geschichte überraschend wieder, schwenkt nach Rußland und wartet mit der ersten einer Reihe von dicken Überraschungen und Wendungen auf. Hierzu nur so viel: die Kristalle werden zum Objekt der Begierde und zum Gegenstand des Kalten Krieges. Denn dort, wo das Wrack vermeintlich liegt, zwischen Schottland und Island, tummeln sich nicht nur die „Schatzjäger“ um Marianne und Peter. Auch die Russen mischen sich nun ein…
Der All Verlag veröffentlicht die abschließenden beiden Alben von Bruno Marchands Serie, die einen Zweiteiler bilden, zusammen. Einmal mehr steht die resolute und entschlossene Marianne im Zentrum mysteriöser Visionen. Was natürlich direkt mit dem Kristall zusammenhängt. So entwickelt sich eine schlüssige Abenteuer-Story mit einem Mystery-Motiv im Mittelpunkt, das gleichzeitig als MacGuffin dient – nämlich die Story auslöst, ankurbelt und immer weiter treibt. Dabei bleiben die Protagonisten – Marianne und Peter – stets besonnen und ruhig. Vor allem im abschließenden Band 5 baut Marchand diverse Storytwists ein und erweitert das Geschehen um die weltpolitische Ebene des Kalten Krieges der Fünfziger Jahre. Am Ende, als das Geheimnis der „magischen“ Kristalle dann tatsächlich enthüllt wird, trägt Marchand etwas zu dick auf, indem er die Dimensionen der Story noch einmal zu sprengen versucht. Vorher entspinnt sich eine unterhaltsame, spannende Geschichte, die sich viel Zeit für die Charaktere nimmt und auf Personen aus den Vorbänden zurückgreift. Edel und gediegen – in bester franko-belgischer Manier eben.
Der Franzose Bruno Marchand ist auch bei uns bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Moebius, aus der die Serie „Die Träume des Little Nemo“ hervorging, wovon der Carlsen Verlag 1994/1995 zwei Bände veröffentlichte. Daneben war er jahrelang als Kolorist für Marvano tätig (u.a. „Der ewige Krieg“). Seine Reihe „Schritte ins Licht“ beendete er 2013. Diese ist stilsicher gestaltet und zeichnet sich durch wunderbar detaillierte, zeitgenössische Stadt- und Land-Ansichten aus, sei es London, Paris, Kalkutta oder Mont-Saint-Michel, was sehr viel zur Authentizität des Geschehens beiträgt. Sind die Dekors und die Umgebungen realistisch gezeichnet, versieht Marchand die Gesichter der Personen als eine Mischung aus Semi-Realismus und Ligne Claire. Bestechend inszeniert ist auch die Unterwasser-Bergung der Kristalle, die fast ohne Worte auskommt und in viele kleinere Panels aufgeteilt ist. Wie auch bei den Vorbänden gibt der All Verlag die abschließenden beiden Alben auch in einer jeweils auf 111 Stück limitierten Vorzugsausgabe heraus. Diese beinhaltet einen von Marchand signierten Druck und ist mit einem zusätzlichen Schutzumschlag ausgestattet. (bw)
Schritte ins Licht, Band 4: Die vergessene Erinnerung
Schritte ins Licht, Band 5: Das Buch des Lebens
Text & Bilder: Bruno Marchand
je 48 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
je 15,80 Euro
ISBN: 978-3-926970-94-7 (Band 4)
ISBN: 978-3-926970-98-5 (Band 5)