Rick Master Gesamtausgabe, Band 11 (Splitter)

August 8, 2017

„Chick Bill“, der Western-Funny von Zeichner Tibet, ist hierzulande recht unbekannt, weil nur spärlich auf Deutsch veröffentlicht. Dabei erschien die Reihe im franko-belgischen Raum ganze 57 Jahre lang! Dagegen kennen Comic-Fans in Deutschland die andere Haupt-Serie Tibets nur zu gut: „Rick Master“, den Krimi-Dauerbrenner um den gleichnamigen Reporter und blitzschlauen Hobby-Detektiv (erschien übrigens auch über 50 Jahre und damit fast genauso lange). Nach einer kurzen Veröffentlichungspause greift nun der Splitter Verlag die Reihe auf und macht nahtlos mit Band 11 (der die Einzelalben Nr. 32 bis 34 enthält) mit der bei Kult Editionen gestarteten chronologischen Gesamtausgabe weiter – Näheres dazu weiter unten.

Los geht’s mit „Das Todesgericht“ (1980 im Magazin Tintin erstveröffentlicht): der durchgeknallte Ex-Richter Vautrin, der einst auf die schiefe Bahn geriet, ist unter die Terroristen gegangen. Er lässt wichtige Persönlichkeiten aus Polizei und Justiz entführen und macht ihnen albernen Schauprozesse, die alle mit einem Todesurteil enden. So soll die Polizeibehörde und schließlich der ganze Staat ins Chaos gestürzt werden. Als auch Kommissar Bourdon entführt wird, greift Rick Master ein und bekommt es bald persönlich mit Vautrin zu tun… „Skandal um Rick Master“ (1980 erstmals in Tintin und eines der Alben, das 1981 in der kurzlebigen „Rick Master“-Reihe bei Koralle veröffentlicht wurde): Rick vereitelt eine vermeintliche Entführung. Doch statt wie gewohnt als Held steht er selbst in der Öffentlichkeit als Täter da. Und muss in der Folge eine Hetzkampagne sondergleichen ertragen. Denn alles was er tut, passiert zu seinem Nachteil. Stets wird er als Sündenbock und als Wichtigtuer, der um jeden Preis Aufmerksamkeit will, gebrandmarkt. Bald merkt er, dass all das geplant ist und ein gewisser Maestro gibt sich als Urheber zu erkennen… Ehe es zum letzten Abenteuer geht, folgt eine dreiseitige, amüsant ironische Kurzgeschichte, in der Autor André-Paul Duchâteau als Story-Dieb enttarnt wird. Meta! Dann, in „Die Nacht der Vampire“ (1981 in Tintin) verschlägt es Rick nach England. Dort, auf einem Schloss, soll er das Verschwinden eines vermeintlichen Vampirs aufklären – ein Vorfall der sich bereits vor 100 Jahren ereignete und der sich nun – laut Schlossherr Lord Chapman – zum „Jahrestag“ in der Walpurgisnacht wiederholen könnte. Und genau danach schaut es aus. Plötzlich muss Rick nicht nur dieses Rätsel lösen, sondern auch einen „modernen“ Vampir enttarnen!

Die Schöpfer des Detektiv-Reporters, das war neben Zeichner Tibet (d.i. Gilbert Gascard) der vielseitige Autor André-Paul Duchâteau, blieben ihrer Serie „Rick Master“ (im französischen Original „Ric Hochet“) übrigens vom Anfang bis zum Ende treu. Das Ende war gleichzeitig der Tod Tibets im Jahre 2010. Bis dahin realisierten die beiden ganze 78 Alben mit dem Reporter und Amateur-Detektiv. Dessen „Dasein“ begann Mitte der fünfziger Jahre im Tintin-Magazin, das erste Album erschien dann 1964, das letzte entsprechend 2010. Vorerst. Denn inzwischen wurde die Serie – ähnlich wie bei „Buck Danny“ (dt. bei Salleck) oder „Tanguy & Laverdure“ – neu gestartet, mit einem neuen Kreativ-Team, bestehend aus Simon Van Liemt (Zeichner) und Zidrou (Autor). Auch diese Reihe, von der aktuell zwei Bände existieren, wird bei Splitter in Einzelalben ab September erscheinen (als „Die neuen Fälle des Rick Master“).

Rick Masters deutsche Veröffentlichungs-Historie zieht sich wie bei vielen klassischen franko-belgischen Serien durch etliche verschiedene Verlage. Sie begann 1967 in Ehapas MV-Comics (noch als Ric Vitess), gefolgt von einer Karriere als Zack-Held im Koralle Verlag. Nach einem kurzen und – was die Taschenbücher betrifft – unsäglichen Ausflug zu Bastei landete „Rick Master“ bei Carlsen, wo ab 1987 25 Alben erschienen. Dann wechselte die Reihe zu Kult Editionen. Hier wurden die restlichen Alben veröffentlicht und sogar eine erste Gesamtausgabe gestartet, leider auf nicht gerade optimalem Papier. Nach zehn Bänden waren der Verlag und damit auch die Gesamtausgabe Geschichte. Splitter fährt nun zweigleisig, setzt einerseits die Nummerierung fort und bringt mit Band 11 den Folgeband, druckt andererseits die ersten zehn Bände neu und veröffentlicht diese sukzessive und alternierend (ab Oktober) zu den neuen Ausgaben. Insgesamt wird dann irgendwann die Gesamtausgabe stolze 25 Bände umfassen. Im Format und Design orientiert sich der Verlag dabei an der vorbildlichen „Dan Cooper“-Gesamtausgabe, folglich ist jeder Band prall mit Sekundär-Material gefüllt, wobei die Texte einmal mehr von Volker Hamann stammen, ergänzt mit etlichen zeitgenössischen Abbildungen.

Die Fälle Rick Masters kann man getrost als spektakulär betrachten. Vielleicht auch als übertrieben und effekthaschend. Der Auflösung werden nur wenige Panels am Ende jedes Abenteuers gewidmet, bis dahin kann der Leser fröhlich mitraten und wird dabei im Laufe der Handlung immer mehr verwirrt – positiv gesehen. Der Fall ist die eigentliche Story, nicht dessen Auflösung. Dabei greift Autor Duchâteau gerne phantastische Motive auf und kombiniert diese mit Krimi-Elementen. Ein Paradebeispiel ist die letzte Geschichte (übrigens ein Solo-Abenteuer Ricks, fast ohne Bourdon und Konsorten): ein vermeintlicher Vampir, sogar ohne Spiegelbild, der in einem typisch schauerlichem, düsteren britischem Schloss umgeht. Der verdächtige Personenkreis ist begrenzt, alle sind im Schloss „gefangen“, jeder hätte ein Motiv – kennen wir von Agatha Christie. Geheimgänge, Entdeckungen, Anschläge, Wachsfiguren, leere Särge – Duchâteau trägt dick auf, präsentiert wie so oft Bösewichte mit kreativer krimineller Energie und lässt Rick bravourös von Hinweis zu Hinweis und von Rätsel zu Rätsel hangeln. Das wirkt manchmal etwas in die Länge gezogen (vor allem im zweiten Album mit dem Maestro), unterhält und amüsiert letztendlich aber diebisch. Wie in alten Zack-Zeiten. Und am Ende folgt auch auf das abstruseste Geschehen eine rationale Aufklärung.

Tibets Stil ist dabei klassisch realistisch, ausdrucksstark und sofort identifizierbar. Sein Rick fährt stets einen gelben Porsche (jeweils das aktuelle Modell), trägt einen veritablen Haarhelm und bestreitet seine Abenteuer mit Trenchcoat oder weißem Jackett. Das feste Figuren-Ensemble wird angeführt vom grauhaarigen Kommissar Bourdon, der Rick blind vertraut und dessen Kombinations-Gabe schätzt. Nadine ist Bourdons Nichte und praktischerweise gleichzeitig Ricks Freundin. Und Inspektor Ledru als Helferlein holt gerne schon mal den Wagen. Jedes Album enthält eine abgeschlossene Geschichte. Über fünfzig Jahre lang erfolgreich Krimis mit der gleichen Figur zu zeichnen und zu schreiben ohne dabei zu langweilen – das verdient großen Respekt. Hoffen wir, dass Splitter das „Rick Master“ Gesamtausgaben-Projekt nun beharrlich durchzieht. In 24 Ausgaben wissen wir mehr… (bw)

Rick Master Gesamtausgabe, Band 11
Text: André-Paul Duchâteau
Bilder: Tibet
168 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-588-6

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