Reaktor 1F, Band 2 (Carlsen)

Oktober 21, 2016

Reaktor 1F, Band 2 (Carlsen)

Fukushima, am havarierten Atomkraftwerk. Hier im Herzen des japanischen Super-GAU arbeitet 2012, ein Jahr nach der Katastrophe, Kazuto Tatsuta. Ein Mangaka, der seine Arbeit in Comicform aufzeichnet und so Einblicke in eine gefährliche (Arbeits-)Welt gibt, die Normalsterblichen sonst weitgehend verborgen bleibt. Bisher arbeitete Tatsuta im Pausenbereich, weg vom eigentlichen Kraftwerk. Doch genau dort will er hin und bewirbt sich um einen neuen Job, bei einem anderen Subunternehmen, das dort tätig ist. Was mit etwas Glück dann auch klappt, ebenso wie die Suche nach einer neuen Wohnung. Denn Wohnraum ist knapp am Rande des Sperrgebiets und an Arbeiter am Kraftwerk vermietet man nicht gerne. Der vermeintlichen Strahlung wegen. So beginnt seine Arbeit am Block 3 der zerstörten Anlage. Die Aufgabe seines Teams: Die Rohrleitungen des Umlaufkühlsystems zu reparieren. Wegen der erhöhten Strahlenbelastung sind die Schichten kurz und müssen effektiv sein. Alles, was an Arbeitsvorbereitung nötig ist, wird außerhalb der Sperrzone erledigt. Trotzdem ist die Arbeit beschwerlich, schweißtreibend und von extremen Sicherheitsmaßnahmen geprägt.

Teil 2 des Doku-Mangas über die Arbeiten an Fukushima. Zu Beginn geprägt von den akribischen Aufzeichnungen über die Jobsuche, die Wohnungssuche. Und immer wieder Strahlenkontrollen und Sicherheitsvorkehrungen, gepaart mit einer gehörigen Portion an Bürokratie (Berechtigungsausweise, Strahlenkarten), was wir bereits aus dem ersten Band kennen. Doch ehe sich die Monotonie des Geschehens sich auf den Leser zu übertragen droht, weitet Tatsuta die Handlung aus. Wir machen einen Zeitsprung von zwei Jahren. Inzwischen ist der erste Band von „Reaktor 1F“ erhältlich und hat sich zu einer vielbeachteten Veröffentlichung gemausert. Journalisten aus dem In- und Ausland interviewen Tatsuta, es fällt immer schwerer, anonym zu bleiben. Trotzdem berichtet er über sein Privatleben. Er spielt gerne Gitarre und singt dazu alte japanische Schlager. So musiziert er in einem Seniorenheim und lernt Menschen kennen, die gerne wieder in ihre verseuchte Heimat zurückkehren möchten. Und immer wieder gibt es kleine Ausflüge in die verlassene Umgebung, wo einige Straßen wieder freigegeben sind.

Auch Band 2 besticht wieder durch die genaue Beobachtungsgabe des unbekannten Autors und Zeichners, den wir als Kazuto Tatsuta kennen. Sie bezieht sich nicht mehr nur auf seine Arbeit, auch seiner Umwelt und seinem eigenen Manga widmet er metatechnisch diverse Episoden, mit etlichen kleinen informativen Anmerkungen versehen, die auch seine eigene Meinung transportieren, was für willkommene Abwechslung sorgt und zusätzliche Einsichten für den Leser generiert. Die präsentiert er in einem ebenso sachlichen Zeichenstil, der durchaus realistisch ist, seine typischen Manga-Wurzeln aber pflegt, bzw. eine gelungene Synthese von beiden darstellt. Der abschließende Band 3 dieser außergewöhnlichen Reihe erscheint im Frühjahr 2017. Mehr dazu dann auch bei uns. (bw)

Reaktor 1F – Ein Bericht aus Fukushima, Band 2
Text & Bilder: Kazuto Tatsuta
192 Seiten in schwarz-weiß, Taschenbuch
Carlsen Verlag
12,99 Euro

ISBN: 978-3-551-76108-8

Tags: , , , , ,

Comments are closed.