Namibia, Band 1 (Splitter)

Juli 7, 2016

Namibia, Band 1 (Splitter)

Namibia, die ehemalige deutsche Kolonie, im Jahr 1949. Ein Fotograf, der für eine Reportage über ein international subventioniertes Ackerbauprojekt knipsen soll, hält zufällig auf seinen Bildern eine unglaubliche Entdeckung fest: darauf zu sehen ist Reichsmarschall Hermann Göring, der eigentlich drei Jahre zuvor nach den Nürnberger Prozessen Selbstmord begangen hat. Da nimmt sich die Tatsache, dass auf dem Feld riesige Raupen die Ernte fressen, eher gering aus. Sofort wird in London der Geheimdienst aktiv und schickt die Agentin Kathy Austin nach Namibia, um vor Ort zu recherchieren. Empfangen wird sie vom dortigen britischen Agenten Major Bowley, einem unangenehmen Zeitgenossen voller rassistischer Vorurteile Farbigen (und Frauen) gegenüber. Gemeinsam sucht man den Fotografen auf, doch der ist verschwunden, seine Wohnung verwüstet und sein Fotomaterial vernichtet. Ein weiterer potentieller Kontaktmann wird hinterrücks überfahren. Gemeinsam mit Bowley und dem UNO-Mitarbeiter Robert McDonald, der als Schwarzer den kolonialen Rassismus zu spüren bekommt, reist Kathy in das Landesinnere zu dem Ort, an dem die Fotos entstanden. Dort trifft man zwar nicht Göring, aber auf einen gigantischen Drachen förmigen Schwarm riesiger Fliegen, der sich als nicht ungefährlich entpuppt und der in einem eingezäunten, unbekannten Areal verschwindet…

Nach „Kenya“ (fünf Bände, erschienen im Epsilon Verlag) präsentiert Splitter nun den zweiten Afrika-Zyklus aus dem Hause Leo und Rodolphe (das Autoren-Duo ist auch für die SF-Reihe „Centaurus“ verantwortlich – zu deren zweiten Band in Kürze mehr). Leo zeichnet dieses mal nicht selbst, diesen Job übernimmt Bertrand Marchal, der bei uns bisher noch ein unbeschriebenes Blatt darstellt. Aber keine Bange, sein Stil steht ganz in der Tradition Leos – klar, bestimmt, realistisch und schnörkellos – wobei die Farbgebung (die Sébastien Bouet besorgte) ungewöhnlich kräftig und satt ist, was angesichts der sengenden Hitze, die im Land herrscht, nicht unpassend erscheint. Wie in Leos Planeten-Serien (Aldebaran, Betelgeuze und aktuell Antares, ebenfalls bei Splitter) ist die Heldin einmal mehr eine starke, selbstbewusste Frau: Kathy Austin kennen wir bereits aus „Kenya“ und rein optisch sieht sie Kim Keller aus „Antares“ auch nicht unähnlich. Das Trio vervollständigt sich mit dem unsympathischen Bowley und dem smarten McDonald, hinter dem vielleicht mehr steckt, als es scheint.

Leos Lieblingsmotiv, das seine Arbeiten im Genre der Science Fiction prägt, kommt auch hier wieder zum Tragen: das Erforschen des Mysteriösen, des Unbekannten. Das sind Vorfälle und Dinge in der Flora und Fauna fremder Planeten. Oder eben auch auf der Erde. Wobei die Autoren hier gleich zwei Ansatzpunkte wählen. Zum einen ist das die Entdeckung der riesigen Raupen, die aber sogleich in den Hintergrund tritt, als die spektakulären Aufnahmen des vermeintlichen Göring bekannt werden. Zum anderen eben jene Fotos des Alt-Nazis, der scheinbar sorglos im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika sein Leben weiter lebt. Das ruft natürlich den britischen Geheimdienst auf den Plan, zumal Görings Vater dort einst als Kaiserlicher Kommissar tätig war. Und man wusste schon damals, dass zahlreiche gesuchte Nazis nach dem Krieg ins Ausland entkommen waren (auch der Verbleib des angesprochenen Martin Bormann war 1949 noch unklar). Nach dem anfänglichen Thriller/Spionage-Plot (dem das Verschwinden des Fotografen noch zuspielt) wird schnell klar, dass die Beobachtung der Raupen eine große Rolle spielt. Der unheimliche Fliegenschwarm lässt dann erahnen dass die beiden seltsamen Vorgänge doch etwas miteinander zu tun haben.

Zwar wird durch die Illustration und den Text auf dem Backcover schon reichlich früh verraten, wohin die Reise vermeintlich geht – leider, trotzdem herrscht auf den Seiten – eben durch die beiden Thriller und SF-Ansätze – eine gesunde Spannung, die von Beginn an den Leser fesselt. Obwohl man bei Leo (und Rodolphe) auf alles gefasst sein muss, überrascht der Schluss des Bandes als fieser, völlig unerwarteter Cliffhanger. Insgesamt wird die Serie wieder fünf Bände umfassen, die dankbarerweise in flotter Reihenfolge erscheinen. Band 2 folgt bereits im August, dann geht es im Monats-Takt weiter. (bw)

Namibia, Episode 1
Text: Rodolphe, Leo
Bilder: Bertrand Marchal
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-314-1

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