Nach der missglückten Kolonisation von Betelgeuse und den Geschehnissen dort befindet sich die Biologin Kim Keller, die von Aldebaran stammt, auf der Erde in Paris. Inzwischen ist sie eine Berühmtheit, tritt in TV-Sendungen auf und wird auf der Straße erkannt. Derweil treibt der mächtige Konzern Forward Enterprises ein eigenes Projekt voran: die Besiedlung des Planeten Antares. Ein aus drei Wissenschaftlern bestehendes Vorabteam ist dort gelandet, um Flora und Fauna des Planeten auf „Besiedlungs-Tauglichkeit“ zu untersuchen. Man weiß, dass die Existenz des Konzerns auf dem Spiel steht, sollte man zu einem negativen Urteil kommen, weshalb man die Berichte von Antares schönt, bzw. negative Aspekte einfach verschweigt. Man ist zum Erfolg verdammt. Als sich ein unbekanntes Tier vor ihren Augen einfach in Nichts auflöst, müssen die drei diesen mysteriösen Vorfall melden. Doch Konzernchef Thornton kehrt die Sache unter den Tisch und engagiert Kim für eine groß angelegte PR-Kampagne, die für die Kolonisation werben soll und in zwei Jahren soll die Biologin selbst nach Antares fliegen. Aber Kim hat dringendere Probleme. Sie ist schwanger. Und das Kind, das sie schließlich auf Betelgeuse zur Welt bringt, birgt eine faustdicke Überraschung…
Zugegebenermaßen bringt die Serie für Neueinsteiger ganz schön viel Ballast in Form von Vorgeschichte(n) mit, die nicht bei Splitter erschienen. Der Verlag versucht dem so gut es geht entgegenzusteuern, erläutert in Band 1 die wichtigsten Begriffe (wie die Mantrisse, das geheimnisvolle Wesen) und bringt kurze Inhaltsangaben der ersten beiden Zyklen. Die erschienen zu je fünf Bänden ab 2002 im Epsilon Verlag und hießen „Aldebaran“ und „Betelgeuze“ (bei Splitter Betelgeuse). Gemeinsam mit Antares fasst Splitter die drei Zyklen unter der Dachbezeichnung „Die Welten von Aldebaran“ zusammen. Epsilon veröffentlichte übrigens auch vier Antares-Alben. Splitter legt diese nun neu auf und bringt gleichzeitig mit Band 1 die fünfte Episode der Reihe als deutsche Erstveröffentlichung heraus. Verwirrend? Etwas, aber bitte nicht abschrecken lassen. Denn obwohl sich nun mit Antares bereits der dritte Zyklus mit dem gleichen Planeten-Kolonisations-Thema beschäftigt, gehen Leo noch lange nicht die Ideen aus. Leo, das ist der Brasilianer Luis Eduardo de Oliveira, ein Autor und Zeichner, von dem bei Splitter bereits mit „Centaurus“ (mit Zoran Janjetov als Zeichner) eine weitere SF-Story erscheint. Auch „Trent“, die Serie um den kanadischen Mountie, die auf Deutsch bei Salleck verlegt wird, machte Leo hierzulande bekannt.
In „Antares“ geht Leo auf bewährte Art und Weise vor: er verfolgt weiter das Leben seiner Hauptakteurin Kim, die immer wieder in die Kolonisierungs-Unterfangen verwickelt wird, ob freiwillig oder nicht. Kim ist nicht nur hübsch sondern auch selbstbewusst. Und besitzt nach der Begegnung mit der Mantrisse sogar eine Art Superhelden-Touch, da sie langsamer altert und so etwas wie Selbstheilungskräfte besitzt. In seiner Story scheut Leo auch vor längeren Zeitsprüngen nicht zurück. Parallel dazu erleben wir mit Antares einen neuen Planeten, der zum kommerziellen Ziel von Forward Enterprises wird. Und wie immer geschehen dort vorerst unerklärliche Dinge, die das geplante Unternehmen in Gefahr bringen und den wirtschaftlichen Interessen im Wege stehen. Als weiteres belebendes Element kommt Kims Tochter dazu, die unerwartet anders ist – mehr verraten wir dazu nicht. In Band 5 ist die Story dann bereits weit fortgeschritten, daher nur ein kurzer Ausblick: Lynn, Kims Tochter, wurde entführt. Auf der Suche nach ihr reist Kim mit ihrem Team auf einem anderen Planeten, der erneut Geheimnisse – und vielleicht eine außerirdische Intelligenz? – birgt. Da Splitter die fehlenden Bände in relativ schneller Folge veröffentlicht (bis Oktober soll die Reihe mit Band 6 abgeschlossen sein), werde ich die Serie auch in chronologischer Reihenfolge lesen.
Leo zeichnet in einem klaren, deutlichen Strich. Durchaus sachlich, immer realistisch (soweit man dies bei der SF-Thematik sagen kann) und farblich nuanciert. Während er die klimatisch arg gebeutelte Erde – hier vor allem Paris – als hoffnungslosen Fall darstellt (der Golfstrom erreicht Europa nicht mehr, weshalb dort kalte Temperaturen herrschen), mit tristen Stadtansichten, verpesteter Luft und kahlen Bäumen, zeichnet er die Vegetation und die Tierwelt von Betelgeuse und Antares umso opulenter, farbenprächtiger. Dabei lässt er seiner Fantasie freien Lauf und erschafft neue Lebewesen und Pflanzen, ähnlich wie Francois Bourgeon bei Cyann. Das signalisiert: hier, vom störenden Einfluss des Menschen (noch!) unberührt, ist die die Welt und deren Ökosystem noch in Ordnung. Der Mensch, der die neue Natur nicht versteht, soll sich ruhig als Eindringling fühlen. Story-technisch geht Léo einmal mehr langsam vor. Baut seine Geschichte in aller Ruhe auf, indem er Mysterien einstreut, die so fremdartig sind, wie die Planeten selbst. Ein ständiges Gefühl der Bedrohung, eine gewisse Furcht vor dem Unbekannten steht permanent im Raum, wobei Leo dabei ganz auf SF-Horror-Elemente verzichtet. Dafür sind seine Welten auch zu bunt. Stattdessen präsentiert er seine unerklärlichen Phänomene sachlich und trotzdem spektakulär. Und immer faszinierend. (bw)
Antares, Episode 1
Antares, Episode 5
Text & Bilder: Leo
64 & 48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
je 14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-308-0 (Episode 1)
ISBN: 978-3-95839-312-7 (Episode 5)