Königliches Blut, Band 1 (Splitter)

November 18, 2015

Königliches Blut, Band 1: Isabella (Splitter)

Frankreich im Jahr des Herrn 1314: Prinzessin Isabella ist von ihrem Vater Philipp an den englischen König Eduard II. verheiratet worden. Ziel der Liaison ist ganz unverhohlen die Sicherung des Friedens zwischen den beiden ewigen Rivalen, weshalb sich Eduard im Rahmen einer Zeremonie in Paris eher widerwillig auch formell Philipp als Lehnsherren unterwirft. Dass sie ihr persönliches Glück der Staatsraison opfern muss, das kann Isabella zwar noch weitgehend akzeptieren, aber das Schicksal hat ihr zweifelsohne ein ganz besonderes schweres Los zugedacht: sie leidet nicht nur unter der Gefühlskälte und Machtorientierung ihres Vaters, sondern auch unter der kompletten Missachtung durch ihren Gatten. Dass der sich nämlich lieber mit jungen Höflingen als mit Frauen vergnügt, das pfeifen die Spatzen von den Palast-Dächern.

Isabella zieht sich in stilles Beten und Liebe zu ihrem Sohn zurück, um diese Schmach zu ertragen. Ihre Schwägerinnen unter Anführung von Blanche und Margaret überspannen den Bogen des Spottes allerdings, als sie ihrer Anverwandten zum Abschied aus Frankreich einen Rosenkranz schenken, den Eduard als kleines Spielzeug bei seinen sexuellen Eskapaden verwendet hat. Isabella bringt das Geschehen ans Licht, und unter Folter gestehen die Geliebten der niederträchtigen Hofdamen den kollektiven Ehebruch ein – man exekutiert sie und wirft Isabellas Schwägerinnen in den Kerker. Zurück in England erreicht Isabella die Nachricht vom Tod ihres Vaters, dem ihr Bruder Ludwig nachfolgt. Konfrontiert mit einem Monster als Ehemann, aufsteigenden Machtansprüchen des englischen Adels und verlassen von allem Zuspruch, beginnt die geschundene Isabella ein grausames Machtspiel…

Thierry und Maris Gloris, die in ‚Malgré Nous‘ (dt. bei Salleck) eher neugeschichtliche Themen behandelten, gelingt in ihrer neuen Konzeptserie um historische Herrscherinnen ein realitätsnaher Blick auf die mittelalterliche Welt der Hofintrigen, des Machtmissbrauches und der Selbstsucht. Mit Fokus ausschließlich auf die herrschende Kaste entfaltet sich ein Ränkespiel von wahrhaft elisabethanischen Rachedrama-Dimensionen (nicht umsonst lieferte der Shakespeare-Zeitgenosse Christopher Marlowe ein Spektakel über Edward II. ab), das auf historischen Ereignissen basierend (Isabella heiratete Eduard 1308 und brachte ungeachtet der homoerotischen Neigungen ihres Mannes mit ihm diverse Kinder zuwege) einen eindrucksvollen Bogen der Mechaniken der Macht und einer Klassengesellschaft, in der Frauen zu mehr weniger taugten als zur Sicherstellung einer Herrscherlinie.

Isabella dreht den Spieß um und entwickelt sich als Reaktion auf diese Gesellschaftsordnung selbst zur Drahtzieherin, die als folgerichtige Antwort auf die Entmenschlichung und Missachtung in gleicher Münze heimzahlt. Anders als in den Königsdramen Shakespeares, in denen die geschichtliche Realität im Zuge der propagandistischen Umdeutung der Rosenkriege zugunsten der Tudors doch etwas phantasievoll gehandhabt wird, liefern die beiden Gloris ein fast schon beklemmend realistisches Abbild der mittelalterlichen Monarchie, das Zeichner Caldéron in bemerkenswert detaillierten, fein geschnittenen und teilweise auch schockierenden Szenen einfängt, die durch atmosphärische Farbgebung und gekonntes Arrangement bestechen. Am Ende steht Isabella als blutige Löwin gegen ihr Schicksal auf – das sich in Band 2 erfüllen dürfte. Wir sind gespannt. (hb)

Königliches Blut, Band 1: Isabella, die Wölfin von Frankreich
Text: Thierry Gloris, Marie Gloris
Bilder: Jaime Calderón
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-235-9

 

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