Malgré Nous – Gegen unseren Willen, Band 1 (Salleck)

Dezember 23, 2010

Thierry Gloris (bekannt durch Missi Dominici und Codex Angélique) und Marie Terray legen mit „ Elsass“ den vielversprechenden Auftakt zu einer Reihe vor, die sich mit einem wenig bekannten Kapitel des zweiten Weltkriegs befasst: mit dem Schicksal der ab 1942 zwangsweise in die Wehrmacht und die Waffen-SS eingezogenen Männer aus dem Elsass und Lothringen.

Das Geschehen wird aus der Perspektive von Louis Fischer erzählt, einem Studenten, der mit großer Politik eigentlich gar nicht viel anfangen kann: die Erzählungen seines Vaters aus dem ersten Weltkrieg enervieren ihn eher, aber mit dem Schatten seines bereits für Frankreich gefallenen Bruders wiegt auch der neue Krieg schwer auf der Familie. Die Universität wird schon systematisch „germanisiert“, den Studenten werden Rassenlehre und Herrenmenschenideologie eingetrichtert, und die Deutschen werben emsig um die Beteiligung am ehrenhaften Krieg, der mit dem Ostfeldzug kurz vor dem erfolgreichen Abschluss zu stehen scheint. Jenseits aller politischen Ideale ist Louis aber vielmehr daran interessiert, was junge Männer in seinem Alter eben tun: er will das Herz seiner Angebeteten erobern, und dass sich seine Schwester mit einem „Boche“ einlässt, verurteilt er aus eher privaten als politischen Gründen. Als ihn die Dame seiner Träume allerdings zu Gunsten einer arrangierten Ehe, die gesellschaftliche Vorteile verspricht, fallen lässt, randaliert er in den Straßen und wird prompt als Terrorist verhaftet. Der Obersturmführer entpuppt sich als Bekannter aus Kindestagen, der noch eine Rechnung mit Louis offen hat – und so wird aus dem jungen Franzosen schließlich Ludwig Fischer, der in Deutschland auf seinen Einsatz an der Front vorbereitet wird.

Der studierte Historiker Thierry Gloris verarbeitet in Malgré Nous Erinnerungen seiner Kindheit und nutzt diese als Basis für eine fiktive Geschichte, die als Basis die realen Schicksale der Malgré Nous hat, jener 130.000 Männer aus Elsass und Lothringen, die ab 1942 eingezogen wurden und von denen über 40.000 nicht zurückkehrten. Dabei gelingt ihm eine geschickte Verbindung von Privatsphäre und Historie, die für die besten historischen Dramen im Stile eines Michael Curtiz (Casablanca!) charakteristisch sind: Louis will mit Weltpolitik nichts zu tun haben, gerät aber dennoch in ihren Strudel – und löst sie sogar selbst aus, wie etwa in dem Moment, als er, nur um sich vor einem Angriff des Bruders seiner Geliebten zu retten, ein Widerstandslied anstimmt (das Gloris von seiner Großmutter kennt), das schließlich zu Tumulten und Festnahmen an der Universität führt. Auch seine Verhaftung ist eigentlich ein großes Missverständnis: aus Liebeskummer, nicht etwa aus Hass auf die Besatzer schleudert er eine Champagnerflasche gegen ein Ladenfenster, und gerät dennoch in die Fänge der SS. Dabei vermeidet Gloris jede Leichtigkeit oder gar Trivialisierung: Louis Schicksal wirkt um so bedrückender, als er sich dem Lauf der Geschichte ebenso wenig entziehen kann wie die anderen Malgré Nous, mit deren Einberufung in die Armee der erste Band endet. Auch wenn die Verstrickungen teilweise nahe ans Melodramatische heranreichen (der Sturmbandführer wurde einst augrund einer Aussage des kleinen Louis wegen eines Unfalls für 10 Jahre in eine Besserungsanstalt gebracht), gelingt Gloris doch eine packende, teilweise erschreckende Erzählung, deren weiterem Verlauf man mit Spannung entgegen sehen darf.

Die deutsche Einrichtung und Übersetzung wurde von Eckart Schott in der Qualität besorgt, die man bei Salleck erwarten darf, womit der gute Eindruck vollends abgerundet wird. (hb)

Text & Bilder: Thierry Gloris und Marie Terray
48 Seiten in Farbe, Hardcover
12,90 Euro

ISBN 978-3-89908-363-7

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