Elektra, Band 1 (Panini)

Juli 18, 2015

Elektra, Band 1 (Panini)

Wieder einmal sinniert Elektra über ihre Vergangenheit nach und kommt zu dem Schluss, dass sie New York verlassen und alles hinter sich lassen muss. Was am besten klappt, wenn man sich in Arbeit stürzt. Also nimmt sie einen Assassinen-Job an. Nein, nicht einen. DEN Job. Sie soll Cape Crow jagen und lebendig fassen. Cape Crow, ein legendärer Mörder, der andere Assassinen killt und ihnen die Aufträge stiehlt. Cape Crow, den bisher niemand fassen konnte, der stets seinen Häschern entkam. Eine erste Spur führt auf die Monsterinsel. Dort trifft sie auf Mitkonkurrenten und schließlich auf Crows Sohn. Er ist derjenige, der das Kopfgeld auf seinen Vater aussetzte. Und zwar nicht um ihn zu töten, sondern um ihn zu retten. Vor all den anderen, die ihm an den Kragen wollen. Einer von ihnen nennt sich Bloody Lips. Ein gestörter australischer Psychopath von mysteriöser Herkunft, der seine Opfer isst (würg) und damit deren Kräfte, Gefühle und Erinnerungen erhält.

Weiter geht die Hatz nach China, in die versunkene Stadt Shicheng. Ein Rückzugsort Cape Crows. Dort kommt es zum ersten Kampf gegen Bloody Lips, der im wahrsten Sinne des Wortes hinsichtlich Elektra Blut geleckt hat. Während des Kampfes, der sich stets auf Messers Schneide bewegt, werden beide geistig mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Elektra mit ihrer Mutter und Bloody Lips mit seiner Frau/Freundin. Nur ganz knapp entgeht Elektra dem Tod. Zum Finale finden sich die Protagonisten in der Arktis ein. Dort im ewigen Eis, greift nun auch der Gejagte in das Geschehen ein: Cape Crow scheint niemandem gewachsen zu sein. Doch am Ende gibt es – wie kann es anders sein – eine faustdicke Überraschung hinsichtlich dessen wahrer Identität. Oder doch nicht? Und bekommt Bloody Lips seine Henkersmahlzeit in Person Elektras?

Zumindest Letzteres kann man sich denken. Es gibt ja noch einen Band 2. Die Assassine Elektra gehört wie der Punisher zu Marvels ambivalenten Charakteren, denen man keine klassische Heldenrolle (mit dem „Ich töte nie“-Credo) mehr zuweisen kann. Sie handeln und töten aus Rache. Und für Geld. Elektra wurde von Frank Miller, als dieser am Anfang seiner Karriere stand (und geistig noch ‚normal‘ war), für die Daredevil-Serie erdacht. Dort starb sie auch (Bullseye!!!), bis sie irgendwann wieder reanimiert wurde. Seitdem versuchte sie ihr Glück in mehreren eigenen Serien, die nie sehr lange hielten (die Marvel Knights Reihe von 2001 war nicht übel – auch wegen der Titelbilder von Greg Horn). Schlaglichter ihrer eigenen Heft-Karriere waren ‚Elektra: Assassin‘ von Bill Sienkiewicz und die ‚Elektra Saga‘, wieder von Frank Miller. Beides aus den 80ern. Langer her. Und über die Verfilmung mit Jennifer Garner in der Titelrolle hüllen wir besser dezent den Mantel des Schweigens.

Jetzt wagt man wieder einen Neustart. Und wie auch Natasha Romanoff in ‚Black Widow‘ besinnt sich Elektra auf ihre Kernkompetenz. Das was sie gelernt hat, in dem sie gut ist: sie jobbt wieder als Assassine. Damit macht sie auch gleichzeitig reinen Tisch mit ihrer Vergangenheit und mit den Charakter-Altlasten, die sich im Lauf der Jahre angesammelt haben. Ihre Aufgabe ist gewaltig und führt sie an diverse exotische Schauplätze. Bloody Lips, ihr neuer Gegner ist ein Kannibale, knallhart, skrupel- und gewissenlos. Ein heftiger Charakter unbekannter Herkunft, dem wir vielleicht noch einmal irgendwann im Marvel Universum begegnen. Ganz stark die Episode, als sich beide parallel den Geistern ihrer Vergangenheit stellen müssen. Inhaltlich und graphisch sehr schön und originell präsentiert. Wie schon bei den Neustarts des Silver Surfers und der Black Widows verlässt Marvel – was die Zeichnungen betrifft – den ausgetretenen Standardpfad und geht einen mutigen neuen Weg: oft wirft Mike Del Mundo die traditionelle Panelstruktur über den Haufen und präsentiert doppelseitige Collagen von erstaunlicher Dynamik. So mutieren im Laufe einer Doppelseite Teile von Elektras Dress zu einer Blutfontäne. Ihre Ängste und Gefühle werden visualisiert, wie eine Ballerina tanzt sie bisweilen durch die Seiten. Auch sonst verzichtet er auf das klassische Tusche/Farbe Konzept zugunsten von gemalten Bildern, die in unaufdringlichen Aquarellfarben gehalten sind. Definitiv was für’s Auge!

Das Cover des Bandes von Bill Sienkiewicz erinnert an die besten Zeiten der Heldin (lest ‚Elektra: Assassin!‘), aber auch die mit abgebildeten Cover von Del Mundo sind äußerst originell. Fazit: solider Lesestoff mit überdurchschnittlichen, aufwändigen Zeichnungen und innovativer Panelaufteilung. Noch kürzer: Inhalt gut, Optik super. (bw)

Elektra, Band 1: Blutlinien
Text: W. Haden Blackman
Bilder: Mike Del Mundo
124 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-334-3

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