„Maaaan, you are sooo screwed!“ Mit dieser launigen Beschreibung warteten meine englischen Freunde immer dann auf, wenn man mal wieder so richtig Mist gebaut hatte und in der Patsche saß. Mit Schrauben hat das also weniger zu tun (eher schon mit der übertragenen Bedeutung), aber wortwörtlich verschraubt und extremst in der Klemme – genau das beschreibt den Zustand von Anne Gallo, die im Krankenhaus aufwacht, sich nur noch an einen massiven Stromstoß erinnern kann, der ihr wieder Leben in die geschundenen (und eigentlich ziemlich toten) Glieder haucht, und dann auf einen alptraumhaften Trip gerät.
Der mysteriöse Flicker (nomen est auch hier omen) ist ihr nämlich heiß auf den Fersen und möchte sie dringend zu einem nicht näher benannten Doktor bringen – dagegen hat Anne allerdings jede Menge einzuwenden, zumal sie in allen ihr entgegentretenden Menschen plötzlich Monster sieht, die ihr an den Kragen wollen und die sie deshalb höchst unsanft ins Jenseits befördert. Die junge FBI-Agentin Erin Scott geht der Sache nach, hatte sie doch Anna gerade noch aus den Klauen eines Serienkillers befreit, der seinen Opfern Organe entnahm und immer noch auf freiem Fuß ist. Erin, die mit Anna das Schicksal teilt, einem irren Killer gerade nochmal von der Schippe gesprungen zu sein, beißt aber auf Granit, da ihr der Fall flugs von einem dubiosen Agenten namens Simon Beckett (nomen est… ihr wisst schon) entzogen wird, der ganz offenkundig mit den Lumpensöhnen unter einer Decke steckt. Eigentlich geht es nämlich darum, dass der finstere Doktor genauso wie der Serienmeuchler an Leichen herumexperimentiert und dabei den Lazarus-Schlüssel entdeckt hat, mit dem sich tote Nerven mittels Stromschlägen wieder zum Leben erwecken lassen. In einer verlassenen Gefängnisanlage namens Festung werkelt dieser moderne Prometheus daran herum, einer offenbar verstorbenen Geliebten neues Leben zu verleihen, wobei er auch nicht davor zurückschreckt, die eigene Familie als Laborratten zu verwenden. Aber er hat die Rechnung ohne die durch Starkstrom zu übermenschlichen Kräften gewachsene Anne gemacht…
Mit dem vielsagend betitelten „Screwed“ legt Tyler Kirkham (u.a. Green Lantern, Justice League) eine krachige Neufassung des klassischen Frankenstein-Stoffes vor und vermischt diesen mit teilweisen derben Slasher-Einsprengseln – die geistig verwirrte Anne, deren Gedächtnis nur langsam zurückkehrt, macht auf drastische Art kurzen Prozess mit echten und vermeintlichen Widersachern, die durchgeknallten Helfershelfer und Wissenschaftler schrecken vor keiner Greueltat zurück, und der vollkommen offenkundig durchtriebene Agent Beckett nimmt kein Blatt vor Mund oder Kanone. In seiner Kombination der Frankenstein-Thematik (wir basteln einen Menschen aus Leichenteilen) in der filmischen Tradition (Stromschläge erlebten wir erstmals in der Karloff-Version von 1931, im Roman erweckt Victor sein Geschöpf durch nicht näher beschriebene Alchemie) mit graphic violence steht diese Miniserie im Gefolge der 80er-Slash-Fun-Feste Re-Animator und Return Of The Living Dead, bringt einiges an Hack/Slash-Zitaten auf den Tisch und zwinkert immer wieder mit amüsanten Insider-Zitaten: so etwa arbeitet im Krankenhaus ein Dr. Shelley, der Name der Titelheroine verweist leicht abgewandelt auf die italienische Mystery-Thriller-Schule eines Mario Bava, und Flicker nennt sich im bürgerlichen Leben (so er denn eines hat) William Pratt, den wir alle besser als das „Geschöpf“, auch genannt Boris Karloff kennen – womit wieder der Kreis zur Story geschlossen ist. Von David Miller teilweise derbe, teilweise mit Danger Girl-artigen Formen inszeniert, bereitet „Screwed“ allen Freunden von lebenden Toten, verrückten Wissenschaftlern und Serienkillern diebische Freude. Der vorliegende Band enthält die Ausgaben 1-6 der US-Serie Screwed von 2014, abgerundet durch eine hübsche Cover-Galerie. (hb)
Screwed: Projekt Frankenstein
Text: Keith Thomas
Bilder: Tyler Kirkham, David Miller
144 Seiten in Farbe
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3957980489
