
Irgendwo auf den Philippinen: der junge Karl kellnert, um sich und seinen Vater über Wasser zu halten. Sein Vater ist mehr oder weniger Invalide, hat ein kaputtes Knie und benötigt beim Gehen eine Krücke. Karl, dessen Mutter schon vor zehn Jahren starb, mag seinen Job nicht sonderlich. Er drängt seinen Vater zum Verkauf ihres Hauses, das zu groß für die beiden ist, doch der zögert noch. Der neue Nachbar, der gerade das Haus gegenüber bezogen hat, bedeutet eine willkommene Abwechslung für Karl. Denn Tao, so nennt er sich, ist ein Zeichner. Da auch Karl gerne zeichnet, wird Tao mit der Zeit eine Art Mentor für ihn, gibt ihm wertvolle Tipps und ermutigt ihn. Was Karl nicht ahnt: Tao ist mehr als nur ein begabter Künstler…
Wieder die Philippinen, wieder Randy Valiente. Vom Inhalt her diesmal aber völlig anders. Nahm uns Autor und Zeichner Valiente in „No Man Manila“ noch mit auf einen ungewöhnlichen Stadtrundgang, führt er uns hier gemeinsam mit Karl durch einen Teil der jüngeren Geschichte des Inselstaates im Pazifik. Denn Karl erfährt bald mehr über die bewegte Vergangenheit seines neuen Nachbarn, der erst Soldat und dann Guerilla wurde. Auch sein Vater war nicht immer invalide. In seiner Jugend war er ein Studentenführer und ein Aktivist und lernte so Karls Mutter kennen, beide durch gemeinsame Ideale und politische Gesinnung verbunden.
Tatsächlich benötigt der Band, der immerhin über 200 Seiten umfasst, eine ganze Weile bis er in Fahrt kommt. Er beginnt mit Karl, seiner Arbeit und seinen Sorgen. Dann kommt Tao als Nachbar und Zeichner ins Spiel, gibt Karl Anleitungen (die Valiente auch optisch darstellt) und so hat man als Leserin und Leser noch keine Ahnung, welche Richtung die Geschichte einschlagen wird. Mit den in Skizzenform dargestellten Rückblenden auf die Vergangenheit Taos und des Vaters eröffnet Valiente eine weitere, neue Perspektive, die für den Fortgang der Story wichtig ist. Denn die stellt dann Verknüpfungen und Verbindungen her, die den jungen Karl völlig unvorbereitet treffen. Auch was den letzten Teil des Bandes betrifft.
Wie in „No Man Manila“ arbeitet Valiente nur mit einer Schmuckfarbe, hier ist es ein Türkis-Ton statt blau, ansonsten bleiben seine Panels schwarz-weiß. Seine Zeichnungen wechseln von skizzenhaft bis realistisch, immer wieder recht minimalistisch, mit Mut zur freien Fläche – auch das erinnert an „No Man Manila“. Um die Geschichte, bzw. deren politische Hintergründe (in den Dialogen und in den Rückblenden) verstehen und einordnen zu können, lohnt es tatsächlich, vor der eigentlichen Lektüre des Bandes die einmal mehr ausführlichen und fundierten Anmerkungen (Zumindest deren Einleitung) zu lesen, die Übersetzer Jens. R. Nielsen wie schon fast gewohnt am Ende platziert hat. Das Verständnis steigert das Lesevergnügen dieses Bandes, der – das spoilern wir noch kurz – ein dramatisch hartes Ende findet. (bw)
in Sünde töten
Text & Bilder: Randy Valiente
220 Seiten in Farbe, Softcover
Dantes Verlag
25 Euro
ISBN: 978-3-68902-022-4