
Erster Weltkrieg an der deutsch-französischen Front, im Februar 1915. Schon seit einigen Monaten kämpfen kanadische Soldaten an der Seite der Briten und Franzosen gegen die Deutschen. Unter den Kanadiern sind auch Indigene der Cree-Nation, die als Scharfschützen ausgebildet wurden und die im Nahkampf auch ihre traditionellen Waffen benutzen. Inzwischen sind diese Krieger, die wie aus dem Nichts auftauchen, zuschlagen und danach wieder verschwinden, bei den Deutschen gefürchtet und werden schon fast ehrfurchtsvoll Gespenster-Soldaten genannt.
Der berüchtigtste unter ihnen ist Corporal Joseph Odawaa, Spitzname „Tomahawk“, der in nur zwei Monaten schon 100 Feinde ausgeschaltet haben soll. Odawaa ist nicht nur Einzelkämpfer, sondern auch Einzelgänger. Er steht unter dem Kommando von Captain Ernest Keating, der im zivilen Leben Professor für Literatur war. Und nur Keating scheint Kontakt mit Odawaa zu haben. Im Gegensatz zu seinen indianischen Kameraden lässt sich Odawaa nicht bei Truppe blicken, niemand kennt sein Gesicht – auch wir werden es nicht sehen -, nur seine Taten sprechen für sich.
Als die Nachricht Runde macht, dass im verwüsteten Niemandsland zwischen den Fronten unter dem Kommando eines Major von Schaffner eine deutsche Plündererbande grausam wütet, wird Keating stutzig. Denn von Schaffner wurde bereits von Odawaa getötet, seine Hundemarke hält Keating als Beweis in den Händen. Dann werden zwei französische Soldaten aufgegriffen. Deserteure, oder sind die beiden wirklich auf geheimer Mission unterwegs, wie sie behaupten? Auf jeden Fall ist ihre Geschichte für Keating so interessant, dass er Drei Federn, einen Kollegen von Odawaa, auf sie ansetzt…
Zeichner Christian Rossi, Jahrgang 1954, ist bekannt durch seine realistisch gezeichneten Western, sei es „Der Planwagen des Thespis“ (bei Piredda), später das fantastisch angehauchte „W.E.S.T.“ (Ehapa & Piredda) und zuletzt Einzelbände, wie „Deadline“ und „Golden West“, die bei Splitter erscheinen. Dazwischen machte er Ausflüge in die griechische Mythologie wie „Das Herz der Amazonen“ (wieder Splitter) und „Tiresias“ (Schreiber & Leser). „Die Ballade vom Soldaten Odawaa“, im Original 2019 erschienen, spielt nun im Ersten Weltkrieg, im verwüsteten Niemandsland der verheerenden Flandernschlachten, wobei die Präsenz der Cree-Soldaten dann doch wieder gewisse Western-Elemente in die Story einbringt.

Die Titelfigur des Odawaa bleibt dabei ein Phantom. Sein Gesicht ist stets verborgen, nur einmal redet er zu Keating, ansonsten bestreitet er seine gewagten Einsätze wortlos. Diese inszeniert Christian Rossi eindringlich, intensiv und fast ohne Worte, cineastisch – sei es gleich zu Beginn oder als nächtliche Ein-Mann-Armee im deutschen Schützengraben. Die Geschehnisse, die vermeintlich nichts miteinander zu tun haben, fügen sich im Fortgang der Story, wobei man als Leserin und Leser durchaus angenehm gefordert wird. Denn im Hintergrund entwickelt sich nach und eine weitere Handlung, die voller Überraschungen steckt und zum Finale gleich mehrere Twists präsentiert.
Die hat sich Autor Cédric Apikian ausgedacht, ein Journalist, der hier sein erstes, gleich rundum gelungenes Comic-Szenario vorlegt. Die Geschichte der indigenen kanadischen Soldaten, die kurzzeitig zu Helden wurden, nur um dann in der Heimat wieder Diskriminierung zu erfahren, ist kaum bekannt. Captain Keating, Apikians Hauptfigur, kämpft mit eigenen Dämonen, ist eigentlich zu intelligent für den Krieg und gibt Zitate des Romantik-Dichters John Keats zum Besten. Und Odawaa bleibt dabei in jeder Beziehung ein faszinierender, gesichtsloser Geist. Der Band erscheint auch in einer auf nur 99 Exemplare umfassenden Vorzugsausgabe (Cover rechts) mit signiertem und nummeriertem Druck. (bw).
Die Ballade vom Soldaten Odawaa
Text & Story: Cédric Apikian
Bilder: Christian Rossi, Walter (Farben)
88 Seiten in Farbe, Hardcover
Blattgold GmbH / Zack Edition
26 Euro
ISBN: 978-3-949987-68-7