Seltsamer Titel für ein Spirou Album? Das kann nur sagen, wer in Geschichte nicht aufgepasst hat. Der Rest mag wissen, dass in der kubanischen Schweinebucht, der Bahia de Cochinos, eine von den USA gesteuerte, versuchte Invasion stattfand (eigentlich eher ein Invasiönchen), die kläglich und auf der ganzen Linie scheiterte. Im April 1961 landeten dort etwa 1.300 Exilkubaner an, mit dem Ziel, das Land zu destabilisieren und den neuen kommunistischen Machthaber wieder zu stürzen. Der hieß Fidel Castro und hatte einen nicht minder berühmten Mitrevoluzzer namens Che Guevara. Was uns wieder zu Spirou führt. Denn der reist gemeinsam mit Fantasio nach New York für eine Reportage, in der Castro und seine gespannt erwartete Rede bei den Vereinten Nationen im Mittelpunkt stehen sollen.
Was sie nicht ahnen: Während seiner Rede soll durch die CIA ein kurioser Anschlag auf Castro verübt werden, der ihn vor der Weltöffentlichkeit lächerlich macht. Darin involviert ist der Wissenschaftler Longplaying, dem Spirou auch im Auftrag des Grafen von Rummelsdorf den GAG übergibt, den handlichen Gamma-Atom-Generator, der einem Fotoapparat ähnelt und den wir bereits (wie auch Longplaying) als eine Art Allzweckwaffe aus dem Spirou Abenteuer „Gefangen im Tal der Buddhas“ kennen. Durch einen unglücklichen Zufall und unwissentlich wird Spirou in die geplante Aktion involviert – und verschwindet spurlos. So bleibt Fantasio nichts anderes übrig, als nach Kuba, in die Höhle des Löwen, zu reisen (was der CIA gelegen kommt), um seinen Freund zu finden und zu retten, nur bewaffnet mit dem GAG und vielleicht mit Steffani als Verbündete…
Der Band (als Nr. 43 in der Reihe „Spirou und Fantasio Spezial“, im Original bei Dupuis übrigens Band 1 der neuen Classique-Reihe, siehe Cover rechts) schließt zeitlich direkt an das Franquin Abenteuer „Gefangen im Tal der Buddhas“ an, das 1958 erstmals erschien und das in Band 6 der Deutschen Spirou-Gesamtausgabe enthalten ist. Der Großteil der Story spielt auf Kuba, wo sich die politischen Wirren langsam legen und sich der Kommunismus durchsetzt, sehr zum Entsetzen der USA. Dennoch sind noch Konterrevolutionäre im Land, deren Hilfe Fantasio in Anspruch nehmen muss. Wobei die Herren sich schon fast krampfhaft und parodistisch dargestellt an der amerikanischen (Pop-)Kultur orientieren und folglich wie Cowboys aussehen, wobei einer davon einem gewissen Lonesome Cowboy nicht unähnlich ist. Kurz gesagt: die Konterrevolutionäre sind ziemliche Trottel und nicht minder ideologisch verbohrt wie die neuen Machthaber.
Die sehen sich zum Verwechseln ähnlich, tragen alle identische Bärte und Uniformen, kommunistisch konform eben. Bis auf Che Guevara, den Steffani kennenlernt und der sein charakteristisches Roter-Stern-Beret trägt. Neben den historischen und alternativen Tatsachen – Spirou, Fantasio und Steffani tauchen hier immerhin tief in die Geschichte des Kalten Krieges ein, der ein Jahr später mit der Kubakrise einen vorläufigen Höhepunkt erleben sollte – kommt der Humor nicht zu kurz. Dafür sorgen das Marsupilami, das auch bei brenzligen Situationen immer zur Stelle ist, und natürlich diverse Gags, wie der Ursprung eines ikonischen T-Shirt Motivs. Der Gamma-Atom-Generator tut dabei wieder erfolgreich seinen Dienst und sogar JFK ist mit von der Partie. Und am Ende regelt ein Zufall die Geschichte. Ein unterhaltsames, tatsächlich im klassischen Stil gehaltenes Spirou-Abenteuer. (bw)
Spirou und Fantasio Spezial, Band 43: Die Schweinebucht
Text: Clément Lemoine
Bilder: Elric Dufau, Michael Baril
64 Seiten in Farbe, Softcover
Carlsen Verlag
12 Euro ISBN: 978-3-551-80470-9