Natürlich dürfen zum großen Comic-Jubiläum dieses Jahres – dem 100. Geburtstag von André Franquin – dessen „Schwarze Gedanken“ nicht fehlen, eine Reihe, die sich von all seinen anderen Werken abhebt, inhaltlich wie auch zeichnerisch. Die im Original „Idées noires“ benannten, meist ganzseitigen, aber auch halb oder doppelseitigen Gags sind nämlich gleich auf zweierlei Art und Weise tiefschwarz: in ihrem Humor und in ihrer visuellen Gestaltung, bei der (nicht nur) die Figuren Silhouetten-artig, unter Verwendung von viel Tusche, gezeichnet sind. Anlässlich des Jubiläums veröffentlicht der Carlsen Verlag nun erneut (es dürfte die dritte Ausgabe sein) die gesammelten Schwarzen Gedanken in einer großformatigen Gesamtausgabe, ergänzt durch ein zusammengestelltes Interview mit Franquin, der 1997 im Alter von 73 Jahren verstarb.
Seine schwarzhumorigen, makabren Gags, die auch vor Themen wie Religion (der Sandalen-Gag ist und bleibt ein Klassiker) oder der Todesstrafe per Guillotine nicht zurückschrecken – den richtigen Humor natürlich vorausgesetzt – sind aber auch immer wieder kritisch und halten uns damit auch gerne den Spiegel vor. Sie erschienen zwischen 1977 und 1982, zuerst in der berühmten weil Stil bildenden und dennoch kurzlebigen „Le Trombone Illustré“, einer Beilage zum Spirou Magazin und danach in ihrem Gros im Magazin „Fluide Glacial“, das von Marcel Gotlib (von dem noch immer viel zu wenig bei uns erschienen ist) aus der Taufe gehoben wurde. Das Vorwort von Volker Hamann beschäftigt sich mit den diversen deutschen Publikationen der „Schwarzen Gedanken“, beginnend mit dem Volksverlag, wo 1983 ein erstes Album erschien.
Wer Franquins „Schwarze Gedanken“ noch nicht kennt (wer nur seine Spirou-Geschichten kennt, wird mindestens erstaunt und vielleicht sogar verwirrt sein), ist mit dieser Ausgabe bestens bedient, zumal noch einige Entwürfe und Skizzenseiten als Bonus enthalten sind. Und wird sich diebisch amüsieren über Jäger, bei denen der Schuss sprichwörtlich nach hinten losgeht. An Adam und Eva 2.0, die es sich gleich wieder verderben. An den drastischen Gefahren, die das Rauchen oder eine Motorsäge mit sich bringen. Und selbst zur Pandemie konnte Franquin, offenbar in weiser Voraussicht, einen seherischen Betrag leisten. Weitere Klassiker sind der Mann am Fenster, der über Demonstranten schimpft, was ein jähes Ende findet, oder die prahlenden Ritter auf der Brüstung, was schon fast an Monty Python erinnert. Immer wieder ein Vergnügen. Und das zeitlos. (bw)
Schwarze Gedanken Gesamtausgabe
Text & Story: André Franquin, Yvan Delporte, Roba u.a.
Bilder: André Franquin
80 Seiten in SCHWARZ-Weiß, Hardcover
Carlsen Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-551-79839-8