Harlem (Splitter)

November 7, 2023
Harlem (Splitter Verlag, von Mikaël

Harlem, New York, in den frühen dreißiger Jahren, während der Prohibition und der Weltwirtschaftskrise. Stephanie „Queenie“ St. Clair ist die unangefochtene Königin der illegalen Straßenlotterie. Noch. Denn Mafioso Dutch Schultz, normalerweise in der benachbarten Bronx „tätig“, drängt mit aller Gewalt in das illegale Lotteriegeschäft, und wildert somit direkt vor Queenies Nase. Was diese weder dulden kann, noch will. Daneben zieht die schwarze Geschäftsfrau in Zeitungskolumnen gegen korrupte Politiker, die mit der weißen Mafia zusammenarbeiten und gegen die offen rassistische Polizei Manhattans zu Felde und sponsert als Wohltäterin zahlreiche Projekte, die das Leben der ärmlichen, schwarzen Bevölkerung verbessern sollen. Aber Schultz ist ihr ein dauerhafter Dorn im Auge. Und bald zeigt Queenie, dass sie als wehrhafte, schwarze Frau nicht nur mit Worten kann, wobei eine Spirale der Gewalt ausgelöst wird…

Stephanie St. Clair (1897-1969) ist tatsächlich eine historische Figur. Autor und Zeichner Mikaël stellt sie seiner Leserschaft als komplexe Persönlichkeit vor, die sich selbst kein bisschen um Widersprüche schert. Denn einerseits beherrscht sie als Kriminelle und Ausländerin (sie kam in Guadaloupe in den französischen Antillen zur Welt und wanderte über Kanada in die USA ein) das von ihr begründete illegale Lotteriegeschäft – was alle wissen, ihr freilich aber nicht nachzuweisen ist. Andererseits wehrt sie sich in ihren Zeitungskolumnen gegen Korruption und polizeiliche Willkür, wie gegen den Alltagsrassismus der Weißen. Sie hält flammende Plädoyers für ihr schwarzes Harlem und nennt die korrupten Beamten ungeniert beim Namen. Dann unterstützt sie mit dem Geld der Armen, die mit dem Lotteriespiel nach einem Strohhalm greifen, um der Armut zu entkommen, eben diese – so gewährt sie Kredite, wenn beispielsweise Geschäfte eröffnet werden sollen.

All das macht das Leben für Queenie nicht ungefährlich – selbst ihre Wohnung in einer reichen Gegend und ihr Vermögen schützen sie nur bedingt – denn immer wieder sieht sie sich auf ihre Hautfarbe reduziert, als Zielscheibe von Willkür und Rassismus. Umso leichter erscheint es da für Dutch Schultz sie aus dem Geschäft zu drängen, doch rechnet der nicht mit ihrer Sturheit und ihrem Durchsetzungsvermögen, was beides in ihrer tragischen Vergangenheit verankert liegt. Der franko-kanadier Mikaël erzählt Queenies Geschichte facettenreich und dicht. Viele weitere historische Figuren, wie Bumpy Johnson, Queenies Bodyguard und Liebhaber, Italo-Gangster Lucky Luciano oder der schillernde wie korrupte Bürgermeister Jimmy Walker haben ihre Auftritte. Eingerahmt ist die Handlung von einem offenbar wichtigen Brief, den der weiße Journalisten Robert Bishop verfasst, dessen Bedeutung später noch klar wird.

Auch zeichnerisch ist das Portrait der wehrhaften Gangster-Dame und cleveren Geschäftsfrau als period piece gelungen. Die Panels von Mikaël, von dem bei uns bisher nur im Zack-Magazin zwei Geschichten erschienen, strotzen nur so vor Details, die Straßen sind geschäftig und bevölkert, das Leben, sei es auch beschwerlich, pulsiert – in der Nacht wie auch am Tag. Die Szenerien sind in erster Linie in Brauntöne getaucht, passend zur Tristesse des Alltags. Eine Ausnahme bilden die monochromen Rückblenden mit ihren gelben Farbtupfern, die ganz ohne Worte auskommen und in denen wir nach und nach mehr über das bewegte Leben und die Vergangenheit Stephanies erfahren. Die ursprünglich in Frankreich bei Dargaud erschienene, zweiteilige Geschichte bringt der Splitter Verlag nun als Double-Band heraus. (bw)

Harlem
Text & Bilder: Mikaël
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro

ISBN: 978-3-98721-052-5

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