Schlange und Speer, Band 2 (Splitter)

Januar 17, 2023
Schlange und Speer, Band 2: Leeres-Haus (Splitter Verlag)

Inzwischen ist es so weit: Die unheimliche Mordserie ist in Tenochtitlan, der Hauptstadt des Azteken-Reiches, angekommen. Erste Mumien von grausam ermordeten Mädchen werden gefunden. Und gleichzeitig machen erste wilde Gerüchte in der Stadt die Runde. Was auch Schlange nicht verhindern kann, der von höchster Stelle beauftragt wurde, die Morde zu untersuchen und den Mörder zu finden, ehe sich im Land Unruhe ausbreitet. Neben Schlange ermittelt auch Augen-Speer in dem Fall, der von seinem Jugendfreund Cozatl, einem mächtigen Feuerpriester des Tlaloc, engagiert wurde. Cozatl vermutet einen Tlaloc-Anhänger als Mörder, während Schlange, der mit äußerster Brutalität vorgeht, noch im Dunklen tappt. Auch das Mädchen, das halb tot gefunden wurde und eventuell dem Mörder entkam, kann noch nichts zur Aufklärung beitragen. Und Augen-Speer kramt verzweifelt in den Erinnerungen seiner Jugendzeit, weil er dort wichtige Hinweise vermutet. Denn die Art der Morde und die Drapierung der Mumien kommen ihm bekannt vor…

Fast zwei Jahre nach dem mächtigen Band 1 (immerhin 184 Seiten) können wir uns endlich die Fortsetzung des faszinierenden Azteken-Krimis gönnen. Inzwischen sind uns die drei Hauptfiguren geläufig. Augen-Speer (clever und stur, mit Kombinationsgabe), Cozatl (blut-affin und undurchsichtig) und Schlange (skrupellos, so grausam wie schlau) verbindet eine gemeinsame Schul- und Lehrzeit bei einem alten Krieger, auf die sich Band 2 noch mehr fokussiert als der Erstling. Die Geschichte wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Augen-Speer ist sich sicher, in seinen Erinnerungen eine wichtige Spur zu finden, auf die ihn sein inzwischen verstorbener Meister Schatten-Berg brachte und die gleichzeitig Bindeglied zwischen den Morden in der Gegenwart und in der Vergangenheit sein könnte.

Autor und Zeichner Hub, der bereits mit seiner Japan-Reihe „Okko“ beeindruckte (dt. bei Carlsen), hat seine Geschichte auf etwa 500 Seiten angelegt (ursprünglich in drei Bänden, Splitter listet auf seiner Homepage jetzt sogar fünf), er kann sich also viel Zeit lassen für die Entwicklung der Story und ihre Charaktere. Und das tut er auch. Die Handlung ist durchaus komplex und dennoch gut verfolgbar. Sprünge in Vergangenheit und zurück in die Gegenwart sind einem bald vertraut, neugierig verfolgt man das Geschehen auf beiden Zeitebenen. Immer mehr Schulkameraden gelangen in den Fokus und spielen plötzlich gewichtige Rollen, hier ist es der titelgebende Leeres-Haus, der Augen-Speer in seinen Nachforschungen voran bringt. Und – das sei verraten – erstmals treffen in Band 2 Augen-Speer und Schlange als Erwachsene aufeinander. Und die alte Mixtekin Tchitchica, die nur in Bilderschrift spricht, stiehlt gerne allen die Schau.

Die Spannung ist immer gegenwärtig. So bleibt auch die Story stets fesselnd – man ist sich ständig unsicher, welches Handlungs-Detail noch wichtig werden könnte oder wird – Langeweile kommt keine auf, auch weil es Hub versteht, häppchenweise neue Erkenntnisse zu präsentieren und damit verbunden neue Geheimnisse oder Mysterien, wobei die Bedrohung immer greifbarer und die unheilvolle Atmosphäre immer dichter wird. Wie monströs muss der Mörder sein? Neben dieser Krimi-Handlung nimmt uns Hub mit in eine uns weitgehend unbekannte Zivilisation – das Aztekenreich noch vor der Ankunft der Europäer und damit der Konquistadoren. Wir sehen eine hochentwickelte Gesellschaft mit all ihren Facetten und schaudern vor den dargebotenen zahlreichen Menschopfern und den damit verbundenen Blutbädern.

Hub beeindruckt auch mit seinen Zeichnungen: Die ausladende Hauptstadt Tenochtitlan, erbaut auf Inseln mitten im Texcoco-See, das sprichwörtlich bunte Treiben in den schmalen Gassen und Kanälen, die „Outfits“ der Personen – viel Körper- und Federschmuck (v.a. bei Cozatl). Immer farbenprächtig aber nie vordergründig oder gar übertrieben (die stimmige Kolorierung besorgte wieder Hubs Frau Li). Hubs Strich ist markant – das spitze Kinn seiner Gesichter – aber höchst elegant, voller ausschmückender Details und offenbar bestens recherchiert (inklusive Azteken spezifischer Begriffe, die alle erklärt werden) und damit absolut sehenswert. Beide Bände kann man getrost als ein Highlight im Splitter-Programm bezeichnen. Ab jetzt heißt es wieder warten auf Band 3… (bw)

Schlange und Speer, Band 2: Leeres-Haus
Text & Story: Hub (d.i. Humbert Chabuel)
Bilder: Hub, Li (d.i. Sophie Uliana)
112 Seiten, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro

ISBN: 978-3-96219-561-8

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