Die Fälle von Lord Harold, Band 1 (Piredda)

Oktober 12, 2022
Die Fälle von Lord Harold, Gesamtausgabe Band 1 (Piredda Verlag)

Aristokraten arbeiten nicht. Zumindest nicht in dem Job, den der junge Lord Harold, der Zwölfte in seiner Familie, anstrebt. Als gemeiner Polizist, als Wachtmeister Harold, fängt er im viktorianischen London ganz unten in der Hierarchie an und wählt als Revier ausgerechnet das verrufene und verkommene Viertel Blackchurch, das selbst von den Droschkenfahrern gemieden wird. Dort wird er anfangs belächelt und angekommen in dem nur spärlich besetzten Kommissariat wird schnell klar: die Polizei hat sich mit den Gaunern des Viertels arrangiert und schaut gerne weg: jeder lässt den anderen in Ruhe gewähren, so bleibt ein gewisser dauerhafter Burgfrieden bewahrt. Doch als ein Toter gefunden wird, offenbar ermordet, beginnt Harold eigenmächtig zu ermitteln und stößt bald auf diverse gefährliche Geheimnisse, die in dem Viertel schlummern…

Dass Lord Harold Polizist werden will und sich Blackchurch aussucht, hat seinen Grund. Wie so vieles, das hier geschieht und auf das wir uns als Leser (zumindest anfangs) noch keinen Reim machen können. So werden diverse Mysterien geschickt aufgebaut, fast jeder hat seine Geheimnisse – was das Lesen ungeheuer vergnüglich und durchgehend spannend macht. Harold bleibt dabei stets souverän und zeigt dies auch in einer dauerhaft gutgelaunten Mischung aus Unbekümmertheit, Naivität und (geistiger) Überlegenheit. Er entpuppt sich als eine Art Sherlock Holmes, bewahrt – ganz der Aristokrat – in jeder noch so heiklen Situation die typisch englische Contenance und eine stoische Ruhe. Auch im Umgang mit den Personen um ihn herum, die als Nebenfiguren charakterlich fein ausgearbeitet werden.

Die Fälle von Lord Harold, Gesamtausgabe Band 1 (limitierte Vorzugsausgabe)
Die vergriffene Vorzugsausgabe

Das sind einerseits seine Kollegen: der mürrische, undurchsichtige Inspektor Rich, der ihn anweisen soll und der das heimliche Kommando im Kommissariat hat, die beiden trotteligen Polizisten-Kollegen, die für Slapstick-Einlagen zuständig sind und damit an Keystone Kops erinnern. Harolds bulliger Hund Hermes ist als eine Art Sidekick immer dabei und sorgt bei diversen Eskapaden für Lacher, bringt aber auch die Story voran. Dann sind da drei Damen, die offenbar einiges zu verbergen haben und Harolds ergebener Butler Donald, der an Bruce Waynes Alfred erinnert und der ebenfalls später überrascht (und das gleich mehrfach). Parallel zu Harolds Erlebnissen verfolgen wir Sir Geoffrey, den Konstabler des Londoner Towers, der eine ganz besondere Beziehung zu Blackchurch zu haben scheint und der einiges mit dem Viertel vorhat, vorausgesetzt, die Königin höchst selbst stimmt seinen Plänen zu.

So entwickelt sich eine hervorragend lesbare wie kurzweilige Krimi-Story, die aus zwei Teilen – nämlich den beiden bisher in Frankreich erschienen Alben „Blackchurch“ und „Drei kleine Mäuse“ – besteht, wobei der erste Part mit einem spektakulären Cliffhanger endet. Zuvor versteht es Autor Philippe Charlot Spannung zu erzeugen, wobei die meisten Geheimnisse im zweiten Part, teilweise elegant, teilweise ebenso spektakulär in hoher Schlagzahl aufgelöst werden. Zeichner Xavier Fourquemin, der in seinem bewährten Semi-Funny Stil v.a. das berüchtigte und heruntergekommene Blackchurch gekonnt in Szene setzt, inkl. passender, dunkler Farben, ist Stammgast im Piredda Verlag. Dort erscheinen bereits seine Serien „Die Legende vom Changeling“, „Miss Endicott“, „Orphan Train“, letztere auch mit Charlot als Autor. Der Band erscheint als Gesamtausgabe inklusive eines ausführlichen Skizzenteils. Die limitierte Vorzugsausgabe ist bereits vergriffen. (bw)

Die Fälle von Lord Harold, Gesamtausgabe Band 1
Text: Philippe Charlot
Bilder: Xavier Fourquemin
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Piredda Verlag
30 Euro

ISBN: 978-3-949968-01-3

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