Sturmhöhe (Splitter)

März 11, 2022
Sturmhöhe (Splitter Verlag)

Yorkshire, an der rauen Küste im noch raueren Moor: Vater Hareton Earnshaw lebt auf dem Landgut Wuthering Heights, auch genannt Sturmhöhe, abgeschieden mit seiner Familie. Eines Tages bringt er ein verschmutztes Kind mit, das er in der Straßen Liverpools gefunden hat. Heathcliff, so nennt man den Neuzugang nach einem eigenen, früh verstorbenen Kind, entpuppt sich bald als wild, ungezähmt und naturverbunden. Durch seine so arrogante wie vitale Art, die Schwester Cathy fasziniert, gerät er sofort mit seinem neuen Bruder Hindley aneinander, der vom Vater ins Internat geschickt wird. Als Vater Hareton stirbt, kehrt Hindley mitsamt frisch angetrauter Ehefrau triumphal nach Wuthering Heights zurück und übernimmt das Regime. Auf einem nächtlichen Ausflug ins Moor verletzt sich Cathy und muss fünf Wochen auf dem benachbarten Gut Thrushcross Grange verbringen, wovon sie als vollendete Dame zurückkehrt, die für den einstigen Lieblingsgefährten Heathcliff nur noch Verachtung übrig hat.

Hindleys Frau stirbt im Kindbett bei der Geburt des Sohnes Hareton, woraufhin sich Hindley in den Alkohol flüchtet und immer ruppiger auftritt, während Cathy sich zunehmend für Edgar Linton, den Erben von Thrushcross Grange, interessiert und böse über Heathcliff spricht, der daraufhin bei Nacht und Nebel von Wuthering Heights flieht. Cathy folgt ihm und fängt sich ein fürchterliches Fieber ein, das sie auf Thrushcross Grange zwar überlebt, aber die alten Lintons ansteckt, die kurz nacheinander sterben. Cathy heiratet tatsächlich Edgar und residiert arrogant in Thrushcross Grange, während Wuthering Heights unter dem trunksüchtigen Hindley zunehmend verfällt. In diese explosive Gemengelage kehrt drei Jahre später eines Nachts auf einmal ein eleganter Gentleman zurück, der sich als der Revenant Heathcliff herausstellt – was die Leben aller Beteiligten endgültig in Richtung der Tragödie lenkt…

Wuthering Heights! Sturmhöhe! Generationen von zumeist weiblichen Leserinnen verschlangen mit heißen Ohren die wüst romantische Liebesgeschichte um das Findelkind Heathcliff, dessen Wildheit und Lebenskraft, gespiegelt im feindselig-naturkräftigen Moor, die in Konventionen erstarrte englische Gesellschaft aufrüttelt und gleichzeitig in den Untergang reißt. Ersonnen von der Pfarrerstocher Emily Brontë, erschien der Roman 1847 unter einem männlichen Pseudonym, das ihre Schwester Charlotte (ihrerseits Schriftstellerin und Autorin so bekannter Werke wie „Jane Eyre“) im Vorwort zur zweiten Auflage dann auflöste. Ganz offensichtlich schrieb sich die junge Emily, die in aller Abgeschiedenheit mit ihrer Familie in Yorkshire aufwuchs und im Alter von dreißig Jahren an Tuberkulose starb, nicht zuletzt ihre eigenen Mädchenphantasien von einem ungezähmten, wilden Mann von der Seele, was einen kollektiven Nerv traf, was sich in zahlreichen Verfilmungen – allen voran der Fassung von 1939 von William Wyler mit Laurence Olivier und Merle Oberon – niederschlug.

Irgendwann zu Anfang meiner lange zurückliegenden Literaturetüden machte ich mich somit durchaus frohgemut an den Stoff, der zahllosen angehenden Grundschulpädagoginnen schlaflose Nächte bereitete – und musste konstatieren, dass hier ein zweifelsohne sprachgewaltiges und für die Moral der Zeit unbequemes Werk vorliegt, das allerdings vor allem in der zweiten Hälfte den Bogen der sich wiederholenden, sich spiegelnden Schicksalsschläge arg überspannt: da spielt sich mit Cathys Tochter Cathy (ja, genau, heißt auch so, in der Forschung hilft man sich zur Unterscheidung bisweilen mit „Cathy I“ und „Cathy II“) und dem jungen Hindley die Geschichte mehr oder weniger nochmals ab – Fatum, Kismet, haben wir verstanden, ist aber dennoch zu viel des Guten. Deshalb lassen gelungene Filme wie die Wyler-Fassung diese zweite Hälfte oft einfach unter den Tisch fallen, was „Thorgal“ und „Helden ohne Skrupel“-Macher Yann in seiner Adaption anders hält.

Hier entfaltet sich das Drama in ganzer Wucht, was allerdings durch die flotte, fokussierte Auswahl von Schlüsselszenen dennoch gut funktioniert – nur etwa ein Drittel entfallen auf der Tragödie zweiter Teil, der Schwerpunkt liegt auf den Ereignissen um Heathcliff, Cathy und Hindley, wobei die Wankelmut Cathys zwischen Faszination und Ablehnung der Wildheit des vitalen Mannes wunderbar transportiert wird. Die Metaphern (das Schoßhündchen, das Kuckucksnest) bleiben so viel oder wenig inspiriert wie in der Vorlage, gehören aber ins Gesamtbild. Die Zeichnungen von Edith inszenieren das Geschehen leicht stilisiert, aquarellhaft, teilweise angemessen alptraumhaft und den passenden Stellen (Flucht ins Moor, Rückkehr Heathcliffs) in großformatigen Panels. Wer also den Stoff kennenlernen möchte, dem sei diese eindrucksvolle Adaption durchaus ans Herz gelegt. Und auch meine Hartnäckigkeit zahlte sich damals aus, konnte ich doch dann plötzlich ausrufen, was die liebe Kate Bush in ihrem sirenenhaften „Wuthering Heights“ permanent als Refrain beschwört – nicht „it’s me“, „it’s this“ oder was auch immer wir immer verstanden hatten, nein, sie ruft natürlich klagend „Heathcliff“. Womit das auch geklärt wäre. (hb)

Sturmhöhe
Text: Yann, nach Emily Brontë
Bilder: Édith
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-96792-162-5

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