Trotz allem… Liebe (Splitter)

Januar 11, 2022

Alles beginnt mit dem Ende. Wobei das Ende der Anfang ist. Oder der Anfang das Ende? Verwirrt? Gleich mehr dazu. Zuerst (oder zuletzt…) sehen wir Anita Dellacasa, die alle nur Ana nennen. Ana war etliche Jahre die engagierte und überaus beliebte Bürgermeister ihres Heimatstädtchens und wurde gerade in den Ruhestand verabschiedet. Bei ihr ist Zeno Simia, auch kein Jüngling mehr. Zeno hat eben im gesetzten Alter promoviert, ist nun Doktor der Physik. Eigentlich ein eingefleischter Junggeselle und ehemaliger Seemann wie Weltenbummler, ist er dennoch ein Charmeur der alten Garde, bei den Damen stets beliebt. Ein unkonventioneller Abenteurer, jung geblieben. Wie auch Ana. Doch während Zeno die Welt auf dem Schiff bereiste, blieb Ana Zeit ihres Lebens mit der Heimat verwurzelt. Beide wirken bei dem Rendezvous, das über eine Brücke führt, äußerst vertraut. Und bald wissen wir auch wieso. Denn Ana und Zeno kennen und lieben sich schon seit fast 40 Jahren…

Was nach zarter Lovestory und dazu noch unspektakulär klingt, entwickelt sich langsam, wobei der Leser schnell das System und damit auch das Stilmittel erkennt, das Zeichner und (erstmals auch) Autor Jordi Lafebre (u.a. „Lydie“ bei Salleck) hier konsequent anwendet und damit seine Leser zu verblüffen weiß. Denn der Band beginnt mit Kapitel 20 und arbeitet sich bis zu Kapitel 1 vor. Will heißen: Lafebre erzählt die Geschichte seiner Protagonisten zwar chronologisch, aber rückwärts. Interessant dabei: fast über die ganze lange Zeit sind Ana und Zeno dabei getrennt, nur vereint durch eine im Kern platonische Liebe. Sie im Büro, er irgendwo auf See. Verbunden durch Rituale: man schreibt sich zahllose Briefe, und abends ruft Zeno sie im Büro an. Heimlich, denn Ana ist außerdem glücklich verheiratet. Aber auch Zeno beglückt die holde Weiblichkeit in diversen Häfen. Nach und nach arbeitet sich die Geschichte der beiden vor, bzw. zurück. Man erfährt mehr und mehr über das ungewöhnliche Paar, wobei auch scheinbar unwichtige Dinge, wie die besagte Brücke, über die beide eingangs gehen, an Bedeutung gewinnen.

Die halbwegs geheime und dennoch stets innige Fernbeziehung der beiden versteht Lafebre mit klugen Kniffen zu illustrieren. Mal besteht der Text nur aus den Briefen, die sich Ana und Zeno schreiben. Mal überbrückt gemeinsam und doch getrennt gehörte Musik in Form von Noten die räumliche Ferne. Mal liegen beide, sie auf der Couch, er am Strand, optisch vereint in jeweils einem Panel. Beide werden mit der (Lese)Zeit natürlich jünger und bestehen auch getrennt mitunter turbulente wie komische Episoden (wie Zeno in Venedig). Natürlich steuert die Rückwärtsgeschichte auf die erste Begegnung, den Anfang zu – mehr wollen wir hier aber nicht preisgeben. Nur so viel: das Lesen bereitet großes Vergnügen. Lafebre inszeniert seine Erzählung konsequent durchdacht, warmherzig, gerne auch verschmitzt und mit liebevollen Details ausgeschmückt – wobei auch die Nebenfiguren zu glänzen wissen. Dazu der leichte, elegante Strich, fast dem Funny zugeneigt und dennoch voller Details – und immer wieder mit kurios voluminösen Frisuren! Ein wunderbarer Band! (bw)

Trotz allem… Liebe
Text & Bilder: Jordi Lafebre
152 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-96792-136-6

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