Moses Rose, Band 1 (Bunte Dimensionen)

August 3, 2018

Deserteur. Dieses böse Wort muss sich Louis Rose gefallen lassen, seit er als einziger Überlebender aus der legendären Schlacht um den Alamo entkommen ist. In New Orleans versucht er, seinen Namen reinzuwaschen: immerhin zwei Personen können bezeugen, dass er nicht fahnenflüchtig wurde, sondern mehr oder weniger durch Zufall überlebt hat. Aber Madame Bellows, die Witwe von Hauptmann Dickinson, verweigert ihre Zeugenaussage, und niemand glaubt dem ehemaligen Sklaven Betti. Vielmehr hetzt die alte Dame dem guten Rose die Staatsanwaltschaft auf den Hals. Da trifft es sich gut, dass Rose kurz vorher einen kleinen Plausch mit Sheriff Millsap hatte. Dessen Bruder Isaac war seinerseits im Alamo stationiert und zeichnete sich nach Roses Erzählungen durch massives Glück im Würfelspiel aus. Vor dem Fall der Festung war Bruder Isaac Millsap so ein gemachter Mann geworden und hatte unter anderem die Schürfrechte an der halben Mine von San Saba gewonnen. Die Besitzurkunde vermutet der Sheriff irgendwo in den Ruinen des Alamo vergraben, weshalb er Moses zur Flucht verhilft – unter der Bedingung, dass dieser ihn zum Alamo bringt.

Mit einer bunten Truppe, bestehend aus Millsap, dem ex-Sklaven Betti, der Edelkurtisane Madame Cloud und der stummen Kämpferin Miss Camélia, schifft sich Rose auf der Résente ein, einem schmucken Schiff, mit dem man den direkten, aber gefahrvollen Weg durch den Bayou hin zum Ozean nehmen möchte. Entlang dieses langsam dahinfließenden Sumpfgewässers schippert man in Richtung Mississippi-Delta, immer bedroht von den Cadiens, seltsamen Mischlingen, die hier in der Wildnis ihr Regime führen. Und nicht nur damit muss sich die Besatzung der Résente herumschlagen: im Auftrag der Staatsgewalt ist auch Don Masseria auf ihren Fersen, der Kopf einer italienischen Einwandererfamilie, die gegen ein gewisses Entgelt gerne bei der „Einhaltung der Gesetze“ behilflich ist und dabei durchaus rabiate Methoden an den Tag legt…

The Alamo! Als eine der amerikanischsten aller Mythen darf man wohl mit Fug und Rechte diese Schlacht bezeichnen, bei der die Festung in San Antonio im Verlaufe des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges 1836 von gerade einmal 200 Verteidigern gegen eine 7.000 Mann starke spanische Armee immerhin gute zwei Wochen gehalten wurde. Beim Fall kamen fast alle Männer um, Frauen und Kinder wurden verschont, die überlebenden Männer im Nachgang hingerichtet. Der Alamo wurde (wie die Zulu-Kämpfe für die Engländer) zum Sinnbild amerikanischer Standhaftigkeit und Heldentums, gerne von nationalistischen Kräften vereinnahmt und spätestens von John Wayne in seinem gleichnamigen, politisch durchaus fragwürdigen Epos 1960 zum all american symbol verklärt. Patrice Ordas und Patrick Cothias („Die 7 Leben des Falken“) nutzen die Geschehnisse hingegen nur aus Ausgangspunkt ihrer Erzählung um den ehemaligen französischen Soldaten Rose, der als Jude wegen seines biblischen Alters Moses genannt wird.

Historische Figuren wie der Kriegsheld und Politiker Davy Crockett (komplett mit kleidsamer Biber-Mütze), Oberstleutnant William Travis und James Bowie treten am Rande auf und kreuzen sogar Roses Weg, aber the road to Alamo ist hier nur der MacGuffin, der Handlungsauslöser im Hitchcockschen Sinne, der einen bunten, abenteuerlichen Weg quer durch Sümpfe und übers Meer anstößt. Fast ein wenig in der Stimmung der Romane eines Fenimore Cooper durchstreifen unsere gar nicht strahlenden Helden die Szenerie, wobei Eigennutz und Misstrauen fast aller Personen den hellen Mythos des amerikanischen Westens wirkungsvoll konterkarieren. Neben den angenehm starken, tatkräftigen Frauengestalten sorgen nebenbei die Berufskiller für Farbtupfer, die unschwer als die ersten Ausläufer der italienischen Mafia in der neuen Welt zu erkennen sind und somit auf Martin Scorseses Epos „Gangs Of New York“ verweisen. Optisch wird das Geschehen von Christelle Galland fein, detailreich und aufwendig inszeniert, von historisch akkuraten Darstellungen von Städten und Schiffen bis hin zu den gut recherchierten Szenen im Alamo selbst. Somit ein im wahrsten Sinne des Wortes farbiges Zeitbild, das eine uramerikanische Legende durchaus kritisch reflektiert. Band 2 ist ebenfalls bereits erschienen. (hb)

Moses Rose, Band 1: Die Ballade von Alamo
Text: Patrice Ordas, Patrick Cothias
Bilder: Christelle Galland
48 Seiten, Hardcover
Bunte Dimensionen
15 Euro

ISBN: 978-3-944446-58-5

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