Irgendwo an einer eisigen Küste: mitten im Schneesturm legt ein brennendes Wasserflugzeug eine waghalsige Landung hin. Heraus steigt der alte Shun, der in der Hafenkneipe einen Seemann sucht, der bereit ist, ihn zur Insel Orbe zu bringen. Und zwar hier und jetzt, Geld spielt keine Rolle. Zunächst findet sich keiner, der dieses Himmelfahrtskommando übernimmt – bis sich die junge Yiya zu Wort meldet. Ihr Freund und Beschützer Rogo sitzt gerade in Untersuchungshaft und kann die Kohle als Kaution gut gebrauchen. Rogo, der die kleine Yiya vor Jahren als Waisenkind von der Straße aufgelesen und zu sich genommen hat, macht sich tatsächlich mit Shun und seinem Schützling auf den Weg.
Mitten im aufgepeitschten Meer fordert Shun anzuhalten: an genau dieser Stelle liege ein Schatz, den er per Tiefseetauchausrüstung heben möchte. Soweit kommt es aber gar nicht: eine Welle erschüttert das Schiff, Shun stirbt bei einem Sturz gegen die Treppe. Aber das Wort „Schatz“ hat es Rogo angetan – er selbst taucht hinunter, stürzt in eine Spalte und verschwindet spurlos. Die erschütterte Yiya kommt am nächsten Tag, als sich der Sturm verzogen hat, zurück, um seine Leiche zu bergen. Sie staunt nicht schlecht, als auch sie durch den Meeresgrund bricht und in eine Art riesige Zitadelle fällt. Als sie erwacht, findet sie sich in einer Unterwasserfestung wieder, wo ominöse Gestalten in metallischen Masken sie nach dem Schatz befragen – zu dem sie genauso wenig sagen kann wie Rogo, der noch am Leben ist und von den Wesen gefangen gehalten wird. Yiya erhält daraufhin einen grausigen Auftrag: sie soll die Leiche von Shun finden, von der sich die Wesen Hinweise auf den Schatz erhoffen…
Mit „Yiya“ (im Original erschienen 2011) liefert der Szenarist und Ex-Rennfahrer (!) Daniel Pecqueur (u.a. „Thomas Noland“ im alten Splitter Verlag, „Golden City“ bei Epsilon und „Arctica“ bei Bunte Dimensionen) eine fulminante Mischung aus Märchen, Fantasy-Saga und Indiana Jones meets Lara Croft: die abenteuerliche Schatzsuche führt in eine unbekannte Welt unter der Meeresoberfläche, wo sich uralte Kultstätten erheben, in Form von Energiestrahlen moderne Waffen eingesetzt werden und außerhalb der Zitadelle Fallen lauern, die auch Dr. Jones im Dschungel auf Schritt und Tritt verfolgen. Die Heldin Yiya wirkt dabei allerdings keinesfalls abgebrüht: ihr Schicksal als Straßenkind, das aus dem Waisenhaus flieht und von Rogo gefunden wird, verleiht dem Geschehen – zweifelsohne auch unter dem Einfluss von Fellini, dem Pecqueur schon mit „Verwandlungen“ (mit Jean-Pierre Gibrat, dt. bei Carlsen) seine Ehre erwies – eine märchenhaft-mystische Note, für die auch der titelgebende Sorgenfresser sorgt: ein Armband mit sieben unterschiedlichen Figuren, die angeblich über Nacht Sorgen vertreiben und im Verlauf der Handlung zentrale Bedeutung bekommen.
Insgesamt wirkt das Geschehen oft wie im Traum, mit realistisch ausgeführten Sequenzen, die dann fast assoziativ zu anderen Orten und Konstellationen springen. Die Handlung wird dabei flott vorangetrieben, Flashbacks fügen dabei die nötigen Hintergründe bei. Vukasin Gajic („Experiment Alpha“, dt. bei Splitter) inszeniert das Geschehen ganz in bester franko-belgischer Tradition, in stimmiger Farbgebung, im Schneesturm in eisigem Graublau, in den Rückblenden sepia-getönt und in den teilweise perspektivischen Unterwasserszenen tiefblau. Eine packende, fesselnde Mischung somit, die uns gespannt mit vielen Fragen entlässt. Band 2 folgt hoffentlich in Bälde. (hb)
Yiya, Band 1: Der Sorgenfresser
Text: Daniel Pecqueur
Bilder: Vukasin Gajic
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Bunte Dimensionen
14 Euro
ISBN: 978-3-944-44641-7