Maxentius, Band 1 (Panini)

November 17, 2016

Maxentius, Band 1 (Panini)

Konstantinopel im Jahr 532. Kaiser Justinian nimmt das Prinzip panem et circenses sehr ernst. Und zwar im eigentlichen politischen Sinne: gib dem Volk Brot und Spiele, dann kann die öffentliche Seele sich im Zirkus ausleben, und Du hast Ruhe im Karton. Das funktioniert seit Jahren formidabel: Ort des Geschehens ist das Hippodrom, eine gewaltige Arena, in der regelmäßig spektakuläre Wagenrennen abgehalten werden. Sämtliche Reichsbewohner fallen dabei in zwei Lager, die man erbt oder kauft: die Grünen und die Blauen, die ihre Fahrer jeweils frenetisch unterstützen und gerne auch mal Hab und Gut auf den Ausgang der Wettkämpfe setzen. So hält der Kaiser gemeinsam mit seiner Frau (und Schwester) Theodora die prekäre Balance, und alles scheint in Butter, bis es zu einem folgenschweren Unfall kommt: zwei Wagen der Grünen kollidieren, es kommt zu einer Massenkarambolage, bei der zwei Fahrer ums Leben kommen. Sofort kochen die Emotionen hoch: die Grünen beschuldigen die Blauen der Sabotage, es drohen Tumulte und Ausschreitungen – bei denen sich der Kaiser vornehm zurückzieht.

Eine folgenschwere Entscheidung: denn in den sich anschließenden Unruhen kommt Tibull, der Anführer der Blauen, gewaltsam zu Tode. Als langsam aber sicher der Bürgerkrieg droht, besinnt sich Theodora auf ihren alten Gespielen Maxentius. Der ist im Hippodrom Tierwärter, aber auch Mitglied des breiten kaiserlichen Spionagenetzes, das man jetzt aktiviert, um die Hintergründe für Tibulls Ableben zu erkunden. In der Hafenstadt Galata sammelt Maxentius besorgniserregende Erkenntnisse: Tibull war mit seinem Neffen Zacharius nach Galata angereist und scheint das Zentrum einer Verschwörung zu sein, die Justinian stürzen und das alte Herrschergeschlecht von Kaiser Anastasios wieder auf den Thron befördern will. Maxentius findet Hinweise darauf, dass der Unfall im Hippodrom in der Tat absichtlich herbeigeführt wurde, um einen Volksaufstand auszulösen – und als die Blauen beim nächsten großen Rennen demonstrativ die Leiche von Tibull in die Arena tragen und Genugtuung fordern, bricht der Volkszorn in aller Macht los…

Romain Sardou greift sich mit seinem Wagenrennen-Epos geschickt ein Kapitel aus dem geteilten römischen Reich auf: mitten in die Herrschaft des Kaisers Justinian, der von 527-565 regierte, fiel mit dem Nika-Aufstand (das von der aufgebrachten Menge skandierte „Nika!“ bedeutet so viel wie Sieg, was man beim Wagenrennen ausrief und zur Losung der Rebellion avancierte) eine Revolte, die als schwerste Zirkusunruhe der Spätantike in einem Blutbad endete und seine Herrschaft vor eine Zerreißprobe stellte. Maxentius wird dabei als unehelicher Sohn des vertriebenen persischen Kaisers Kavadh eingeführt, der den Schiffbruch seiner Mutter überlebt und in den Katakomben des Hippodroms landet.

Auch wenn dabei viele historische Fakten verarbeitet werden (wie etwa die zwei Aufständischen, deren Hinrichtung mehrfach scheitert, was als „Wunder der Erhängten“ als Gotteszeichen für die Rebellen gewertet wird und Öl ins Feuer gießt), gestaltet Sardou das Geschehen weniger als akribisch-vertracktes historisches Gemälde, wie das vielleicht ein Nicolas Jarry halten würde, sondern malt in kräftigen Zügen ein lebendiges Zeitbild, in der Machtpolitik, Intrigen und Spionagestory ineinanderfließen und in großen Schritten auf die Katastrophe zueilen. Kongenial dabei die Umsetzung durch Carlos Rafael Duarte, der neben präziser Kleinarbeit in Ausstattung und Physiognomie auch auf die große Geste setzt und massive Panorama-Ansichten des Hippodroms und der chaotischen Szenen rund um den Aufstand schafft. Eine fulminante Reise, die geschickt Historie und Fiktion mischt und zeigt, dass die Sache mit Ost- und Westrom nicht so öde war, wie wir im Geschichtsunterreicht glaubten. (hb)

Maxentius, Band 1: Der Nika-Aufstand
Text: Romain Sardou
Bilder: Carlos Rafael Duarte
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
14,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-808-9

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