Mitten in der Ära der Wikinger, irgendwann im 9. Jahrhundert: die Brüder Egil und Finn halten nichts von redlichem Brotverdienst. Lieber plündern sie, stehlen und schrecken dabei auch vor Mord nicht zurück. Egil ist aufbrausend, impulsiv, Finn eher der ruhige Typ. Ihr knorriger Großvater, der den jüngsten Bruder Ketil aufzieht, ist der „Job“ der beiden ein massiver Dorn im Auge. Ihm schwant nichts Gutes. Und er soll recht behalten. Denn als die Brüder Ketil bei einem eher harmlosen Trip mitnehmen, wird dieser in einem Racheakt getötet. Egil fühlt sich am Tode des Jungen schuldig und als ihr Großvater mit den beiden bricht, suchen sie ihr Heil in Gewalt und Alkohol. Nach einem Massaker in der Schänke treffen sie auf den zwielichtigen Orm, der ihnen einen unerhörten Plan auftischt. Szenenwechsel: König Bram hütet sein Reich und seine einzige Tochter, Prinzessin Annikki, eine aufgeweckte junge Frau mit eigenem Kopf. Seine rechte Hand heisst Aki. Aki ist dem König zu weich, er traut ihm nicht mehr über den Weg. Was dieser auch spürt. Mit seinem Untergebenen Gylfi plant Aki die Flucht und läuft dabei Egil, Finn und Orm, eben jenem Plünderer-Trio, in die Arme. Denn die haben nichts geringeres vor, als die Prinzessin zu entführen, um damit Lösegeld zu erpressen. Und als sich die Gelegenheit bietet, nehmen sie König Bram gleich mit, wobei Finn schwer verletzt wird…
„Viking“ ist das Ergebnis einer weiteren Zusammenarbeit zwischen dem Düsseldorfer Nic Klein und dem New Yorker Ivan Brandon. Beide sind bekannt durch den SciFi Western „Drifter“, von dem bereits zwei Bände ebenfalls bei Cross Cult vorliegen. Roh und kraftvoll – beinahe wie eine Naturgewalt – kommt der Band daher, sowohl inhaltlich, aber vor allem auch optisch. Die Brüder scheuen vor kaltblütigem und augenscheinlich unmotiviertem Mord nicht zurück. Im Gegenteil, sie benutzen Mord als Abschreckung. Oder einfach nur, wenn sie sauer sind. Und sei es auf sich selbst. Anfangs dauert es eine Weile, bis man so richtig in die Story eintaucht. Die Schauplätze wechseln oft abrupt und auch beim Füllen der Lücken in der Handlung ist mitdenken angesagt. Dann entsteht eine clever konstruierte Geschichte, die die einzelnen Personen (oder Parteien) nach und nach aufeinander treffen lässt, wobei massives Konfliktpotenzial entsteht, das sich vorher bereits aufgebaut hat: Egil muss sich mit seiner Schuld herumschlagen (beinahe im wahrsten Sinne des Wortes) und die hämischen wie subtilen Kommentare des gefangenen Königs ertragen, Finn wird ausgerechnet von der Prinzessin gesund gepflegt, die er entführte. Wobei sich beide ineinander verlieben – das Stockholm-Syndrom lässt grüßen. Derweil giert der listige wie fiese Aki nach dem vakanten Thron, was ja auch nicht gutgehen kann.
Nic Kleins Inszenierung ist furios. Während seine Zeichnungen bei „Drifter“ mehr geglättet und damit konventioneller daherkommen, geht er bei „Viking“ in die Vollen. Das betrifft nicht nur die bisweilen drastischen Gewaltdarstellungen, sondern vor allem die Art und Weise des dargebotenen Zeichenstils. Der ist ungeheuer variabel, vom klassischen Tusche-Stil bis zu gemalten ganzseitigen Tableaus, die immer, wenn Feuer und Nacht im Spiel sind (und das ist oft der Fall), atmosphärisch dicht sind und wie alleinstehende, kleine Kunstwerke erscheinen. Auch ist die Seitenaufteilung unkonventioneller als bei „Drifter“, das einige Jahre nach „Viking“ entstand und in den USA im Original ebenfalls bei Image Comics erschien. Nic Klein stellt stets die Personen im Vordergrund. Weniger feine, ausgearbeitete Hintergründe – hier setzt der Zeichner mehr auf die bereits erwähnte Atmosphäre. Lob für den Verlag, die Story ebenfalls im Großformat zu bringen, wodurch die Optik auch entsprechend gewürdigt werden kann. Der Band beinhaltet mit Heft 1-5 den ersten Zyklus. Die Fortsetzung lässt leider schon eine ganze Weile auf sich warten… (bw)
Viking, Band 1: Das lange, kalte Feuer
Text: Ivan Brandon
Bilder: Nic Klein
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
28 Euro
ISBN: 978-3-86425-046-0