Nach der Flucht ihres Bruders Jonah – wohl zur Konkurrenz – besucht Forever, die praktisch unsterbliche Ein-Frau-Armee der Familie Carlyle, ihre Schwester Johanna, die von Jonah übel zugerichtet wurde und die in Los Angeles den Wiederaufbau der Stadt leitet. Bei einer Kontrolle der Sicherheitsmaßnahmen stößt sie auf eine vermeintliche Terrorzelle, denn immer wieder wurden bei Einbrüchen Dinge gestohlen, die man für den Bau von Bomben verwenden kann. Die Aufklärung des Falles scheint Forever vor keine großen Herausforderungen zu stellen, wäre da nicht das klitzekleine Problem, dass beim Zugriff einer der Verdächtigen entkommt. Mit der Bombe. Sein Ziel: Denver. Denn dort findet ein gigantisches Auswahlverfahren statt, mit dem die Carlyles neue Gefolgsleute suchen, die sich in deren Dienst stellen. Parallel dazu in Montana: Bobbie, Joe und ihre Kinder verlieren ihr Haus an die Flut. Praktisch mittellos bleibt ihnen nur ein Ausweg: das Auswahlverfahren in Denver. 500 Kilometer beschwerlicher Weg und eine mehr als vage Chance zum Klassenaufstieg, vom Abfall zum Carlyle-Knecht. Auf dem verlustreichen Marsch verdient sich Sohn Michael Respekt durch seine Medizinkenntnisse und Adoptivtochter Casey trifft auf einen Jungen mit einem seltsamen Koffer…
Überraschenderweise verlässt die Story komplett den Handlungsbogen des ersten Bandes um Forevers abtrünnigen Bruder Jonah und die intrigante Familie Carlyle und folgt einem gänzlich neuen Aspekt. Zum einen kommt die Geschichte immer wieder auf Episoden in Forevers Kampfausbildung zurück, die sie als Reifeprüfung schon mit 12 absolvieren musste (wobei die Gefühlskälte ihres Vaters einmal mehr verdeutlicht wird), zum anderen wird eine komplett neue Story aufgebaut, deren Fäden am Ende geschickt zusammengeführt werden. So erfahren wir Genaueres über das „einfache Volk“, das im Territorium der Carlyles lebt, das als Abfall bezeichnet und weitgehend sich selbst überlassen wird. Nicht alle vegetieren in den Städten, in denen offenbar immer wieder Seuchen und Krankheiten wüten, dahin – auf dem Land kann man durchaus mit einer kleinen Farm eine bescheidene, brüchige Existenz aufbauen, wenngleich die Abgaben an die „Herrscher-Familie“ immens sind. Doch als eine Flut das Heim und damit den gesamten Besitz zerstört, bleibt nichts anderes übrig, als das Heil in der Stadt, in Denver, zu suchen, wo in einem extrem intensiven und akribischen Auswahlverfahren für einen ganz kleinen Teil der Bewerber der Traum wahr wird, vom Abfall zum Knecht zu werden und damit zum direkten Angestellten der Familie, was gleichzeitig eine gesicherte Existenz bedeutet.
Auch dieser neue Handlungsbogen zeigt wie Band 1 einen aktuellen Bezug zum Weltgeschehen: wie die Flüchtlinge, die in Europa ein besseres, sicheres Leben suchen, formt sich hier ein langer Zug von Verzweifelten und Mittellosen (siehe Titel des Bandes: Der Treck der Verlierer), die zwar nicht wegen Krieg sondern wegen Hunger und Armut nach Denver ziehen, um die winzige Chance wahrzunehmen, die Auswahl zu bestehen. Der geplante Anschlag auf der einen und der Versuch, diesen zu verhindern auf der anderen Seite, bringen dann noch Thriller-Elemente in die vielschichtige Handlung, die zusätzlich für Spannung sorgen. Dass das Geschehen samt der Personen am Ende geschickt zusammengeführt wird, zeigt, wie versiert Greg Rucka die Story anpackt. Über die Zeichnungen braucht man keine Worte mehr zu verlieren. Vor allem die Szenen, die nachts spielen, verbreiten mit ihrem tiefschwarzen, kantigen Tuscheeinsatz und ihrer entsprechenden Farbgebung eine kalte Tristesse, die die trostlose Welt der Durchschnittsbürger wiederspiegelt. Band 3 ist für Juli geplant und wir sind gespannt, ob eines der losen Enden weitergeführt wird oder ob erneut eine neue Storyline beginnt. (bw)
Lazarus, Band 2: Der Treck der Verlierer
Text: Greg Rucka
Bilder: Michael Lark, Brian Level, Santi Arcas
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-219-9