Polar, Band 2 (Popcom)

März 7, 2016

Polar, Band 2 (Popcom)

Irgendwo hoch im Norden Skandinaviens fischt ein Einsiedler eine halbtote junge Frau aus dem eiskalten Wasser. Der Einsiedler ist Black Kaiser, der es sich nach seiner erfolgreichen Rache (siehe Band 1) hier in einem alten Bunker gemütlich gemacht hat. Die Frau ist Christy White. Mehr tot als lebendig, mit einem zerschossenen Auge. Kaiser kümmert sich um die Verletzte, päppelt sie wieder auf und erkennt ihren Rachedurst nur zu gut. Er bildet sie zur Killermaschine aus und lässt sie schließlich ihren Rachefeldzug beginnen. Keine Fragen. Kein Wiedersehen. Christy war in ihrem alten Leben Sekretärin der Caronte-Familie. Mafia. Mit Maurice Caronte, dem Junior, beginnt sie ein unheilvolles Verhältnis als Mafialiebchen. Denn als sie Zeugin der grausamen Machenschaften wird, schießt der ihr kaltblütig in den Kopf und hält sie für tot. Doch Christy ist zurück. Und wie. Nach und nach eliminiert sie im besten Ninja-Stil die Familienmitglieder und deren Handlager, darunter den korrupten Detective Buchinski. Dessen Partner Corbucci nimmt ihre Spur auf. Doch Christy ist schneller und stellt schließlich Maurice, ihren ‚Mörder‘…

Christy haut rein. Panel aus Band 2.

Christy haut rein. Panel aus Band 2.

Eine Frau sieht rot. Wortwörtlich. Auch in seinem zweiten und (vorerst) abschließenden Polar-Band bleibt sich der Spanier Victor Santos treu und präsentiert eine bluttriefende, kompromisslose Action-Orgie, bei der– zumal sie sich noch gradliniger als ihr Vorgänger präsentiert – die Verwandtschaft zu ihren medialen Vorbildern wieder deutlich zu Tage treten: filmisch einmal mehr die Werke Tarantinos (wenn man die Dialogsequenzen außen vor lässt) und comictechnisch Frank Millers spätere Werke, vor allem was die Optik betrifft. Auch diverse japanische Rache-Epen können als Einfluss gelten. Befreit von unnötigem Story-Ballast konzentriert sich der Band auf reine Action, die furios inszeniert ist. Große ganzseitige Breitwandpanels (Querformat!) wechseln sich ab mit etlichen kleinen Inserts. Beides wirkt flüssig, filmisch und rasant. Als Variation des Erstlings (vielleicht konnte Victor Santos dort nicht alle Ideen einfließen lassen und legte daher noch einen Band obendrauf – siehe auch diverse, sich nur in Varianten unterscheidende Howard Hawks Western) erinnert der Band an ebendiesen und arbeitet zugleich auch mit künstlerischen Gegensätzen: beide Hauptakteure büßen ein Auge ein. Hier eine Frau, dort ein Mann. Beide gehen auf einen Rachefeldzug. Er heißt Black, sie White. Auch die Cover sind gegensätzlich. Bei Band 1 dominiert ein weißer Hintergrund, hier ein roter. Und Rot ist in beiden Bänden das tragende Farbelement, das nicht nur Blut markiert.

Also Style over Substance? Wäre möglich. Eine weitere Interpretation: der Style IST hier die Substance. Kunstvoll sezierte Action. Das trifft es eher auf den Punkt und lässt damit auch diverse Lücken und Unlogiken (wie kommt Christy in den skandinavischen Fluss?) unwichtig erscheinen. Zwei Bonus-Kurzgeschichten, die die Hauptgeschichten gewinnbringend ergänzen, beschließen den Band. In der ersten, die in den Siebziger Jahren spielt und erstaunlich bunt gestaltet ist, treffen wir einen jungen Black Kaiser wieder und erfahren, wie die Geheimorganisation Damocles (siehe Band 1) entstand. Auch wie und warum Kaiser sein Auge verlor, wird hier geklärt. In der zweiten Kurzgeschichte, die im gewohnten Stil gestaltet ist und ganz ohne Worte auskommt, sehen wir, dass Detective Corbucci auch nicht ohne ist und kaum Skrupel kennt. Einige Seiten mit Illustrationen, Vorentwürfen und Skizzen, die die Arbeitsweise Santos‘ illustrieren, schließen den Band dann endgültig ab. (bw)

Polar, Band 2: Auge um Auge
Text & Bilder: Victor Santos
168 Seiten in schwarz-weiß-rot, Hardcover, Querformat
Popcom
16 Euro

ISBN: 978-3-8420-1337-7

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