Polar, Band 1 (Popcom)

Oktober 29, 2015

Polar, Band 1 (Popcom)

Black Kaiser. Er war der Beste seiner Zunft. Der beste Agent. Der beste Killer. Deshalb hat er überlebt. Jetzt genießt der Mann mit der Augenklappe seinen Ruhestand einsam in den Bergen und im Schnee (wie das so viele Ex-Killer offenbar gerne tun) irgendwo in Skandinavien. Er mag zwar gealtert sein, doch seine Sinne und sein Mißtrauen sind noch hellwach. Weshalb er auch einem feisten, wohl organisierten Anschlag entkommt und seine Widersacher gnadenlos plättet. Auf der Suche nach den Hintermännern führt die Spur ausgerechnet zu Damocles, der Geheimorganisation, für die er in seiner aktiven Zeit tätig war. Deren Chefin ist nun die offenbar ebenso tödliche Vian. Und die will ihn um jeden Preis tot sehen. Ihr Handlanger, ein ultrafieser Folterknecht, dem sowohl Namen als auch Gewissen fehlen, scheint dabei auch Erfolg zu haben. Denn Kaiser passt einmal nicht auf und wird geschnappt. Aber er wäre nicht der Beste gewesen, wenn er sich mit seinem Schicksal abgäbe. So wartet er einen günstigen Moment zwischen zwei Foltersessions ab und flieht. Und sinnt auf Rache. Massive, blutige Rache…

Polar zelebriert und zitiert mit seinem minimalistischen, unterkühlten Stil nicht nur die (späteren) Arbeiten von Frank Miller oder Eduardo Risso (100 Bullets), sondern steht auch in der Tradition von Regisseuren wie Quentin Tarantino oder John Woo, in deren Oevre stylische Action einen festen Platz hat und der Handlung schon mal vorsteht. So wird auch in Polar das Motiv, das die Handlung auslöst – warum Kaiser also getötet werden soll – nur kurz abgehandelt und ehe man über die Logik dahinter nachdenken kann, geht’s weiter zum Showdown. Auch sonst steht Stil über Story. Alleine die Anfangssequenz mit dem versuchten Attentat auf Kaiser nimmt fast 30 Seiten in Anspruch, wobei kaum Worte fallen. Action ist also Trumpf. Action und bildliche Szenenabfolgen, die keiner Worte benötigen. Victor Santos arbeitet dabei äußerst geschickt mit filmischen Techniken, wobei er teilweise mehrere stilsicher auf einer Seite unterbringt und kombiniert. So montiert er beispielsweise in schneller Schnittfolge unterschiedliche Handlungen gegeneinander und geht dabei zusätzlich nach und nach in Großaufnahmen und Detail-Ausschnitte über.

Das Querformat, das hier folgerichtig beinahe als Kinoleinwand fungiert, unterstreicht noch einmal die filmischen Techniken. Santos geht sehr abwechslungsreich damit um, variiert ganzseitige Bilder mit mehreren oder gar vielen kleinen Panels, ohne aber den dynamischen Rhythmus zu verlieren. Dabei erinnern Sequenzen wie das Blutbad im Gefängnis, bei dem ganze Seiten an Blutspritzer den Vordergrund ausfüllen, an Frank Millers Sin City, 300 oder Holy Terror (ja, leider auch). Auch der überlegte Einsatz von Rot als einzige Farbe, die nicht nur für Blut verwendet wird, passt zu Millers Werk. Trotzdem haben wir hier kein Imitat vorliegen. Zu viele Unterschiede im Zeichenstil, u.a. bei den Gesichtern, vermeiden dankbarerweise, dass man Santos mit Miller in eine Schublade steckt v.a. auch wenn man die Herkunft Polars als Webcomic bedenkt. Denn genau dafür hatte Santos die Reihe ursprünglich konzipiert. Und Polar erscheint noch immer zuerst im Netz. Hier fehlen jegliche Worte, keine Sprechblasen. Hier sprechen nur die Bilder (siehe auch die Bonus-Kurzgeschichte). Für die Veröffentlichung auf Papier (und im Querformat) bei Dark Horse überarbeitete Victor Santos die Seiten und fügte Text, bzw. Sprechblasen hinzu, weshalb Web- und Printversion nicht identisch sind. Bei Dark Horse ist bereits ein zweiter Band erschienen, der dritte ist in Vorbereitung. (bw)

Polar, Band 1: Der aus der Kälte kam
Text & Bilder: Victor Santos
168 Seiten in schwarz-weiß-rot, Hardcover
Popcom
16 Euro

ISBN: 978-3-8420-1336-0

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