Interview mit Nate Simpson (Nonplayer)

Oktober 27, 2015

Nate Simpson Foto

Ganz klar und nicht nur für uns eine der Überraschungen des Jahres: ‚Nonplayer’ von Nate Simpson begeistert nicht nur Splitter-Redakteure, der Band heimste allgemein durchweg beste Kritiken ein. Und das quasi aus dem Nichts. Denn weder den Autor/Zeichner noch den Titel hatten die wenigsten Comicfans auf dem Radar. Grund: zwischen dem Erscheinen des ersten und des zweiten Heftes (die Splitter in einem Band vereint) der in den USA bei Image Comics erscheinenden Reihe lagen ganze vier Jahre! Denn Nate Simpson macht Comics nur nebenher und arbeitet im Hauptberuf als Game Designer. Dabei haben wir hier einen Amerikaner – Nonplayer ist sein erster Comic – dessen Stil sehr europäisch anmutet. Klingt alles äußerst interessant, weshalb wir froh sind, dass Nate uns einige Fragen beantwortete.

Comicleser (CL): Du arbeitest schon seit Jahren hauptberuflich als Designer in der Gaming Industrie. Wie bist Du auf die Idee gekommen ein Comic zu machen, und war Image (der US-Verlag) Deine erste Wahl?

Nate Simpson (NS): Ich bin schon seit meiner Kindheit ein echter Comicfan, hatte aber nie die Disziplin oder die Zeit, mich selbst an einem zu versuchen. Erst als mir meine Frau ein Buch mit Storybords von Miyazakis Nausicaä besorgt hatte, beschloss ich, dass ich jetzt etwas Ambitioniertes versuchen möchte. Dieses Buch war ein perfektes Beispiel einer konstruierten Welt – und es sah aus, als wäre es ein großer Spaß, das zu machen!

Aufgrund dieser Inspiration kündigte ich meinen Gaming Job und begann ein persönliches Projekt, aber ich nahm diese Inspiration so ernst, dass meine erste Idee war, ein Drehbuch für eine epische Kino-Weltraumoper mit tausenden Statisten zu schreiben. Ich verbrachte ein halbes Jahr damit, nur um letztendlich zu erkennen, dass es wirklich, wirklich schlecht war. Mann, war das übel! Ich erinnere mich an einen Spaziergang mit meiner Frau, bei dem ich gestand, dass ich unsere gesamten Ersparnisse für einen Haufen Schrott vergeudet hatte. Das waren finstere Zeiten.

Das Cover der US #2

Das Cover der US #2

Und dann eines Nachts schlug mein Freund Ray Lederer vor, dass ich mich stattdessen an einem Comic versuchen sollte. Darüber machte ich mir den folgenden Tag Gedanken und als ich dann abends schlafen ging hatte ich den größten Teil der Story von Nonplayer zusammen.

Aber zu absolut keinem Zeitpunkt dachte ich, dass Nonplayer ein ‚echter’ Comic werden würde. Ich begann einfach mit den Zeichnungen und stellte die fertigen Seiten in meinen Blog. Dann postete eines Tages Brandon Graham eine Seite auf seinem Blog, was tags darauf Warren Ellis wiederum auf dessen Blog erwähnte. Plötzlich hatte ich tausende Besucher auf meinem Blog. Was für eine verrückte Zeit. Irgendwie wurde Image dann auf das ganze Getöse aufmerksam.

CL: Was genau ist Dein Job in der Gaming Industrie? An welchen Games arbeitest Du oder hast Du schon gearbeitet? Benutzt Du dort einen anderen Zeichenstil?

NS: Ich bin jetzt Art Director und Konzeptkünstler bei Uber Entertainment. Das erste bekannte Game, an dem ich gearbeitet habe, war Starfleet Command 2. Ich glaube das einzige weitere Game, das recht erfolgreich war, ist Demigod. Die beiden und eine ganze Menge Zeug, das gecancelt wurde!

Mein Zeichenstil variiert von Projekt zu Projekt. Es kommt ganz klar darauf an, ob man damit eine Idee zu einem Production Artist transportieren muss oder ob es für den öffentlichen Gebrauch bestimmt ist. Aber im Allgemeinen muss ich bei Konzeptzeichnungen viel schneller arbeiten. Ein Grund weshalb ich Nonplayer so detailliert machte war, dass ich sehen wollte, wie meine Zeichnungen aussehen, wenn keine drohende Deadline über mir schwebt.

CL: Dein Zeichenstil ist sehr klar, genau und unglaublich detailliert. Um ehrlich zu sein – er sieht eher europäisch aus als typisch amerikanisch. Welche Künstler haben Dich beeinflusst? Bist Du mit dem europäischen/französischen Markt vertraut und liest Du Comics von dort?

NS: Ich bin ein riesiger Verehrer von Moebius. Eine der größten Freuden in meinem Leben war, als ich erfuhr, dass er ein Exemplar von Nonplayer bekommen hatte und sagte, dass er es mochte. Irgendwo gibt es gibt ein Foto, auf dem er es hält und mit dem Daumen nach oben zeigt! Das hat mich komplett umgehauen. Ich war sehr glücklich, dass ich diese Gelegenheit bekam, ehe er starb.

Aber ja, seit ich mit 13 die erste Ausgabe von ‚Die luftdichte Garage’ bekam, bin ich vernarrt in die klare Linienführung. Mein Büro hängt voller Hergé-Drucke. Ganz besonders mag ich Geof Darrow, Benoit Springer und Bengal.

Die besagte Doppelseite

    Die besagte Doppelseite, die das erste Heft abschließt

CL: Die deutsche Ausgabe von Nonplayer vereint beide US-Hefte in einem Hardcover Band, der ein größeres Format hat als die amerikanischen Originale. Hast Du sie schon gesehen? Denkst Du, dass mit dem größeren Format die Zeichnungen besser zur Geltung kommen?

NS: Ich habe die Ausgabe noch nicht in Händen halten können, aber ich habe die Seiten für das neue Format vorbereitet. Es war schon immer ein Traum, Nonplayer als Album im europäischen Stil zu sehen. Ich kann es wirklich nicht abwarten, ein Exemplar zu bekommen! Ich hoffe, dass einige Details, die in der kleineren amerikanischen Fassung verloren gegangen sind, jetzt im größeren Format wieder auftauchen.

CL: Erscheint Nonplayer auch in anderen Ländern? Wie hat Splitter Nonplayer entdeckt? Warst Du überrascht?

NS: Ich habe meinen Agenten gebeten, in meinem Auftrag europäische Verlage zu kontaktieren – mit der berechtigten Hoffnung, dass mein eher europäischer Zeichenstil jenseits des großen Teichs gut ankommt. Im Moment gibt es Gespräche über französische, italienische und spanische Ausgaben.

CL: Aufgrund dieses ‚Sammelbandes’ ist es für die deutschen Leser nicht erkennbar, dass eine lange Zeit zwischen der Veröffentlichung von Heft 1 und Heft 2 lag. Hat Image Comics deshalb Druck gemacht oder hast Du in dieser Zeit den Druck selbst auf Dich ausgeübt?

NS: Sicher lag Image daran, dass ich etwas Gas gebe – nachdem zwei Jahre nach dem ersten Heft vergangen waren, haben sie mich glaube ich einfach aufgegeben. Sie schienen ziemlich überrascht, als ich ihnen die zweite Ausgabe zur Durchsicht gab!

Der Antrieb das Heft fertig zu stellen kam nach dem zweiten Jahr also in erster Linie von mir. Zu dieser Zeit musste ich wieder einen Game Job annehmen, weshalb ich täglich nur am frühen Morgen vor der Arbeit zwischen 3:30 und 6 Uhr an Nonplayer arbeiten konnte. Und dann kam mein Sohn auf die Welt, wodurch mir noch weniger Zeit zur Verfügung stand! Es war definitiv eine schwierige Situation. Und ist es immer noch!

Variant-Cover zur Neuauflage der US #1

Variant-Cover zur Neuauflage der US #1

CL: Nonplayer wird sechs Ausgaben umfassen (das sind drei Splitter-Alben). Hast Du schon mit der Nummer drei begonnen? Für wann planst Du die Veröffentlichung?

NS: Ich habe die Nummer drei angefangen, aber aus den nahe liegenden Gründen kann ich euch keinen Fertigstellungstermin nennen! Hoffentlich schneller als die letzte.

CL: Einige der Seiten sind wirklich atemberaubend, wie beispielsweise die abschließende Doppelseite des ersten Hefts, als Dana den Jarvath Skin aktiviert (und die auch als Poster erhältlich ist). Wie lange hast Du dafür benötigt?

NS: Ja, die Doppelseiten nehmen definitiv etwas Zeit in Anspruch. Ich glaube ich habe etwa zwei Wochen für das abschließende Bild der Nummer 1 gebraucht. Das knifflige daran war, alles an die Fischaugenperspektive anzupassen! Ich war schon auf mich selbst wütend, dass ich es mir so schwer machte. Aber ich mochte das Ergebnis.

CL: Nonplayer mischt Fantasy mit Science Fiction und Realität mit virtueller Realität. Einer der Einflüsse ist sicher Dein Job in der Gaming Industrie. Was hat die Story sonst beinflusst? Filme wie Tron?

NS: Ja, meine Games-Arbeit hat Nonplayer definitiv beeinflusst. Ich bin auch ziemlich fasziniert von Büchern über Künstliche Intelligenz und Singularität, von Autoren wie Nick Bostrom, Ray Kurzweil und Vernor Vinge. Und natürlich stehe ich auf Science Fiction Bücher und Filme, darunter sowohl der alte als auch der neue Tron! Aber wenn ich ehrlich bin, ist der Hauptgrund für die Fantasy-in-einer-Zukunfts-Dystopie Struktur eher der, dass ich in ein und derselben Geschichte sowohl coole Monster als auch Roboter zeichnen kann!

CL: Du lebst in Seattle. Die Szene, in der der Roboter mit Fischen wirft, erinnert mich an einen gewissen Fischladen dort im Pike Place Market… habe ich recht?

NS: Ganz genau! Ich hatte definitiv Pike Place im Sinn, als ich nach einem interessanten Schauplatz für die Auseinandersetzung mit der Polizei Ausschau hielt. [Anmerk. CL: die Mitarbeiter werfen sich dort ständig Fische zu – große Fische – während sie die Kunden bedienen. Was inzwischen zu einer Attraktion geworden ist…]

CL: Hast Du mal überlegt, Europa zu besuchen? Wir haben einige wunderbare Comic Festivals hier in Deutschland…

NS: Nach Deutschland würde ich sehr gerne wieder kommen! Ich hatte Deutsch in der High School und nahm an einem Austauschprogramm teil, das mich für einen Monat nach Hamburg schickte. Das war eines der spaßigsten Dinge, die ich je erleben durfte – ich liebte die Menschen und die Stadt. Wenn irgend jemand mich dort wieder hinfliegen will, bin ich sofort dabei und sitze auf gepackten Koffern!

CL: Vielen Dank für Deine Antworten!
(bw)

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