Schattenarie, Band 1 (Carlsen)

Oktober 13, 2015

Schattenarie, Band 1 (Carlsen)

Domstadt am Rhein, Kölle: das heißt Niedecken, Geißbock und Karneval? Nicht ganz, das muss die Pathologin Luca buchstäblich am eigenen Leibe erfahren: als sie einen verbrutzelten Neuankömmling unter die Lupe nehmen will, erweist der sich als gar nicht tot, sondern fällt rabiat über sie her. Die vermeintliche Leiche ist niemand anders als der Vampir Tristan, der sie im Blutrausch überfällt und fast umbringt. Brayden, der Anführer seines Trupps, kennt die Eskapaden seines Schützlings nur allzu gut und findet ein Bild der Verwüstung: Lucas zwei Kollegen abgeschlachtet, sie kaum noch am Leben. In Luca glaubt Brayden ein Abbild seiner verflossenen Liebe Laura zu entdecken, er verwandelt sie daher als Rettung vor dem Tod kurzerhand in seinesgleichen. Luca erwacht im Haus der Vampire und ist mit ihrem neuen Dasein als Blutsaugerin zwar alles andere als einverstanden, stellt aber schnell fest, dass sie ihrem Blutdurst kaum entrinnen kann – auch wenn die mysteriöse Laura sie aus dem Schattenreich zu verfolgen scheint…

Szenenwechsel: der mysteriöse Alfred heftet sich an die Spur von Brayden, den er offenbar seit Jahrzehnten um den Globus verfolgt. Auch Alfred zählt nur äußerlich zur Menschheit, wie wir sie kennen – eigentlich führt er eine Gruppe Werwölfe an, die ihre Erzfeinde die Vampire zu vernichten trachten. Alfred und Brayden verbindet ein perfides Arrangement: für jedes Opfer, das der abtrünnige Tristan holt, liefert Brayden einen der Seinen in die Klauen der Wölfe – im Gegenzug deckt er Braydens Tun. Das fliegt auf, als Alfred ein Auge auf Luca wirft, während es auf der Rheinbrücke zu einer großangelegten Attacke kommt. Tristan gelingt es im Getümmel, einen Werwolf gefangen zu nehmen, der ihm verrät, dass Brayden und Alfred unter eine Decke stecken. Die offene Revolution droht, aber in diesem Moment fallen die Werwölfe ins Versteck der Vampire ein…

Man muss sich schon in den letzten 10 Jahren Augen und Ohren zugehalten haben, um diese Story in verschiedenen Variationen nicht zu kennen: vom widerwilligen Vampir über die Wiedergeburt der toten Geliebten und romantische Verstrickungen bis hin zum immerwährenden Konflikt zwischen Vampiren und Wolfsmenschen kennen wir die Grundmotive natürlich aus dem Interview mit diversen Blutsaugern ebenso wie aus schaurigen Geschichten des Herrn Poe, zwielichtigen Jugendbüchern sowie natürlich aus den Underworld-Filmen, in der sich eine knackige Kate Beckinsale im Lederkombi mit Wolfskroppzeug herumärgern muss. Was Zofia Garden und Anne Delseit hier allerdings gelingt, ist die geschickte Übertragung ins Manga-Metier, die obendrein noch durch die Lokalisierung in das wiederholt optisch genau wiedergegebene Köln überrascht. Ebenfalls elegant wirkt die in Wort und Notenzeilen umgesetzte Untermalung der einzelnen Kapitel durch Zitate aus Musik und Literatur, von vertonten romantischen Gedichten von Rückert und Eichendorff über Beethovens Fidelio bis hin zum alten Goethe – für alle, die die Stimmung auch direkt nachempfinden wollen, gibt es den Hinweis, dies doch im Musikportal der Wahl zum jeweiligen Kapitel erklingen zu lassen (so ändern sich die Zeiten, ich hätte da noch irgendwelche CDs gesucht).

Gewürzt mit einer mehr als ordentlichen Prise Erotik und durchaus gewalttätigen Darstellungen entsteht somit eine durchaus unterhaltsame Variation von bekannten Versatzstücken, in der sogar ein wenig Tiefenpsychologie nicht fehlen darf: Luca war nach eigenen Worten jung, hatte gerade angefangen zu leben – dagegen sind ihr ihre durchaus spannenden neuen Fähigkeiten, wie weitgehende Unverwundbarkeit und fast endlose Lebensdauer, herzlich egal, da sie viel lieber zu Freunden und Familie zurückkehren würde. Somit schwingt die Frage mit, ob das ewige Leben um jeden Preis wirklich lebenswert ist, was eine durchaus bemerkenswerte Gravitas bringt. Ergänzt wird der Band durch eine Kurzgeschichte von Anne Delseit, in der die Story um Alfred noch ein wenig weiter gesponnen wird. Band 2 ist in Vorbereitung und erscheint im Dezember. (hb)

Schattenarie, Band 1
Text: Anne Delseit
Bilder: Zofia Garden
228 Seiten in schwarz-weiß, Taschenbuch
Carlsen Verlag
6,95 Euro

ISBN: 978-3-551-74144-8

Tags: , , , , , ,

Comments are closed.