Marc Spector hat es alles andere als leicht. Nicht genug damit, dass er eigentlich tot ist und als Inkarnation des ägyptischen Gottes Khonshu in Form des Vigilanten Moon Knight die Reisenden durch die Nacht beschützt. Nein, am Tage ist er auch noch als der mysteriöse Mr. Knight der Staatsgewalt dabei behilflich, Schwerenöter Dingfest zu machen. Und das alles mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung, bei der sich gerne einmal fragt, wer er denn nun eigentlich ist, was ihm auch seine Psychologin, die er einfach „Doctor“ nennt, nicht unbedingt beantworten kann. Das Leben ist also schwierig genug, aber der gute Phil staunt nicht schlecht, als er in eine waschechte diplomatische Affaire verwickelt wird: General Lor, der Herrscher des afrikanischen Landes Akima, besucht die USA, um sich endgültig vor der UN als Präsident zu legitimieren. Der Herr ist durchaus zweifelhaft: nicht wenige sehen in ihm einen Diktator, der sich mit dem Mäntelchen der internationalen Gemeinschaft schmücken will. Einen Attentatsversuch verhindert Moon Knight ebenso rabiat wie eine Geiselnahme im symbolträchtigen One World Trade Center – dabei geht er allerdings so brutal vor (dass er dem Geiselnehmer beide Arme bricht, ist noch das geringste Übel), dass er von den offiziellen Stellen als Psychopath einkassiert wird. Obendrein erfährt er in einer Hypnosesession, dass der Drahtzieher hinter den Mordversuchen niemand anders ist als seine Psychiaterin, die als Kind den Tod ihrer Familie durch die Milizen von General mit ansehen musste. Der liebe „Doctor“ schlüpft selbst in die Rolle des Khonshu und macht alsbald gnadenlose Jagd auf den verhassten Widersacher…
Der Neustart der klassischen Moon Knight-Figur folgt dem Prinzip, dass das Autoren-/Zeichner-Gespann regelmäßig den Staffelstab übergibt und somit immer wieder neuer kreativer Wind die Seiten durchweht. In der ersten Staffel (hierzulande gesammelt in der Ausgabe Moon Knight 1) von Declan Shalvey und Warren Ellis stand dabei noch Spectors Suche nach Identität und Sinnhaftigkeit im Mittelpunkt, die in jeweils abgeschlossenen, teilweise durchaus an Horror und Fantasy angelehnten Episoden im Mittelpunkt. Brian Wood erforscht in seinem Run nun eher Fragen von Moral und Gerechtigkeit: macht sich der Vigilant Moon Knight schuldig, wenn er die augenscheinlichen Verbrecher der nur scheinbar gerechten Justiz übergibt – oder läge die Pflicht nicht eher darin, auch in Selbstjustiz die offenkundig Schuldigen zur Strecke zu bringen? Dass die Story dabei einen überraschenden Twist nimmt, verleiht dieser Problematik eine noch gesteigerte Komplexität: die Wahrheit ist nie so einfach wie sie scheint, die Rollen von Täter und Opfer verschwimmen zusehends. Greg Smallwood folgt diesem erzählerischen Vexierspiel auch optisch und geht gerne an die kreativen Grenzen des Mediums: so etwa ist die zweite Story „Live“ nahezu ausschließlich aus Screenshots von Handys und Überwachungskameras zusammengesetzt, Farben und Silhouetten erscheinen oft umrisshaft und voller Symbolkraft. So erleben wir den schon in den ersten Ausgaben packend mit neuem Leben aufgeladenen Antihelden in ganz neuen Facetten, die insbesondere durch ihre politische Brisanz, die aktueller nicht sein könnte, weit über konventionelle Superheldenaction hinausweist. Der vorliegende Band versammelt die US-Ausgaben ‚Moon Knight’ 7-12 von 2014. (hb)
Moon Knight, Band 2: Blackout
Text: Brian Wood
Bilder: Greg Smallwood, Giuseppe Camuncoli
132 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 976-3-95798-424-1