Genosse Superman (Panini)

Februar 27, 2015

Genosse Superman SC (Panini)

„Ich kämpfe für Wahrheit, Gerechtigkeit und Amerika!“ Mit dieser launigen Zusammenstellung, die uns im zarten Alter von zehn Jahren gar nicht weiter seltsam vorkam, skandierte Christopher Reeve in Superman II 1979 das Credo von Kryptons letztem Sohn: als Traumbild der jüdischen Einwanderer Jerry Siegel und Joe Shuster kommt Kal-El aus einer fremden Welt, wird vollkommen integriert, überragt seine Mitmenschen und schließt sich ihren Werten dennoch vollkommen an. Dass dies natürlich die Werte waren, die unter der freien Welt des Sternenbanners herrschten, daran konnte es nie einen Zweifel geben, zumal schon Supermans Kostüm eine wenig kaschierte Interpretation der Stars And Stripes ist. Aber, ja aber was, wenn die Rakete des kleinen Ankömmlings von Krypton nicht zufälligerweise in Kansas, sondern in einer Kolchose in der Ukraine gelandet wäre? Dann hätte sich das Schicksal der Welt gänzlich anders dargestellt, nämlich in etwa so, wie es diese brillante Elseworlds-Story von Megastar Mark Millar präsentiert, der ja schon mit Kick-Ass zeigte, wie subversiv man das Superhelden-Genre darbieten kann.

Supie dient in seiner Version getreu dem alten Stalin, der versucht, ihn zu seinem Nachfolger aufzubauen. Der reichlich naive (wie auch in seiner West-Inkarnation) Stählerne lehnt das zunächst ab und rettet lieber im Warschauer Pakt und anderswo Genossen aus tiefster Not (und lässt dafür auch gerne mal eine Militärparade sausen) – aber als er die Not seiner Mitmenschen in Form einer hungernden rothaarigen Jugendliebe erkennt, lässt er sich zum obersten Sowjet küren. Der kleine verbliebene kapitalistische Rest der Welt sieht dem Treiben der neuen Superwaffe durchaus beunruhigt zu und beauftragt den genialen Lex Luthor (Ehemann einer Reporterin namens Lois Lane) damit, einen Gegenpart zu entwickeln. Luthor experimentiert fröhlich mit Kryptonit und Sputnik-Brocken, fabriziert dabei eine ganze Riege von Superman-Gegnern (darunter Bizarro, den Parasiten, Chemo und andere alte Bekannte), aber Superman lässt sich davon ebensowenig beeindrucken wie von Brainiac, der Stalingrad auf Flaschengröße schrumpft. Brenzlig wird es erst, als ein kleiner Junge, dessen Eltern als Dissidenten vom KGB gemeuchelt werden, Rache schwört, sich enorme Kräfte aneignet, ein Fledermauskostüm (nebst schicker Russenmütze) überstreift und als Terrorist Batman durchaus erfolgreich Anschläge auf die Sowjets verübt. Und dann ist da noch Diana, die Amazone, die sich in den Stählernen verguckt, was durchaus kompliziert wird, als sich auch ihre Heimat Themiscyra dem stetig wachsenden Warschauer Pakt anschließt… und Lois Lane, die ebenfalls den roten Helden liebt, sieht das ganze gar nicht gerne, ebenso wie ein gewisser Green Light, der mit einem Kraftring gesegnet ist…

Das lim. HC im Russen-Look

Das lim. HC im Russen-Look

Mark Millar liefert in der Miniserie ‚Superman: Red Son‘ einen trefflichen Beitrag zu dem immer wieder ergiebigen What If-Komplex – die Hauptcharaktere bleiben trotz der radikal geänderten Vorzeichen stets erkennbar und ihren Grundzügen treu: Superman läßt sich gerne vom Regime, das er nicht weiter hinterfragt, instrumentalisieren – der platte Patriotismus der 60er und 70er Jahre, der in den Schlußsequenzen des zweiten Reeve-Filmes kulminiert (Superman setzt die amerikanische Flagge wieder aufs Weiße Haus), erscheint hier satirisch verzerrt und somit konterkariert. Batmans düstere Vendetta richtet sich zwar nicht gegen das Verbrechen, sondern das System, seine Psychopathologie skizziert Millar jedoch genauso konsequent wie die Dark Knight-Varianten des Westens. Durch den Kunstgriff, einen machthungrigen Lex Luthor an die Spitze der freien Welt zu setzen und ihn sattsam bekannte Gegenspieler des Supie-Universums erfinden zu lassen, erschafft Millar einen intelligenten Gegenpart, der die alte Feindschaft unter umgekehrten Vorzeichen fortsetzt.

Nachdem der kalte Krieg zwar vergessen, die eigentlich totgeglaubte Rivalität Ost/West aber zusehends wieder aufflammt, bietet Millars Serie, die von Dave Johnson und Kilian Plunkett kongenial umgesetzt ist (teilweise in visuellen Zitaten sowjetischer Propaganda-Poster), neben einer intelligenten Neuinterpretation und kritischen Dekonstruktion des Superman-Mythos auch einen Schuss politische Aktualität. Der vorliegende Band (eine Neuauflage, erschien bereits 2004 als DC Premium #29) enthält die komplette US-Miniserie von 2003, komplett mit einer Covergalerie und Arbeitsskizzen. Auch bei Genosse Superman bietet Panini eine limitierte, Hardcover-Edition mit Variant-Cover in einer Auflage von nur 333 Stück (hb)

Genosse Superman
Text: Mark Millar
Bilder: Dave Johnson, Kilian Plunkett
172 Seiten in Farbe
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3957980946

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