Sintflut (Splitter)

November 19, 2014

Sintflut (Splitter)

Wasser. Überall Wasser. Die ganze Erde ist nach der großen Sintflut flüssig. Seit Urzeiten. Und mittendrin der Nomade Jason mit seinem eigentümlichen Gefährt, der Charley Patton. Der lässt alle Fünfe gerade sein, als unvermittelt direkt neben ihm ein Raumschiff ins Wasser kracht. Jetzt bringt es eine globale Sintflut zwangsweise mit sich, dass bestimmte Dinge knapp sind und so macht sich Jason auf, das havarierte Raumschiff, das sinnigerweise direkt neben dem gefluteten Eiffelturm (siehe Cover) gesunken ist, aus reiner Profitgier zu erkunden. Doch die einzige Überlebende im Raumschiff verfolgt eigene Pläne mit ihrem vermeintlichen Retter. Sie heißt Normaée, ist ein Klon und wird fluchs noch mechanisch ‚optimiert‘, damit sie ihrer Mission gewachsen ist. Deren Inhalt bleibt freilich noch unbekannt, nur ist klar, dass man in einer Basis gewisse Teile bergen muss. Und dazu braucht sie Jason. Der wittert wiederum die große Kohle und so bildet man eine Zweckgemeinschaft.

Gleichzeitig empfängt man in der unterseeischen Hauptstadt des (nicht näher benannten) Stahlkonsortiums ein Signal des Raumschiffs, dessen Muster noch vor der Sintflut stammen muss. Königin Coriolis, ein Fisch-/Mensch-/Maschinenwesen beschließt der Sache auf den Grund zu gehen. Natürlich nicht ohne Hintergedanken – sie bewahrt Artefakte von vor der Sintflut wie Juwelen auf. Zur Klärung schickt sie die berüchtigte geheime Spektrumsdivision los. Die besteht aus genetisch und technisch modifizierten Menschen/Mutanten unter dem Kommando von Kapitän Kilian. Die Suche nach den geheimnisvollen Teilen führt zu einer Basis der kriegerischen Europa-Union (mal ‘ne andere EU). Dort finden die gejagten Normaée und Jason einen geheimen, viel älteren Ort, der aus der Zeit vor der Sintflut stammt. Hier muss das Gesuchte sein. Menschen sind hier keine mehr, nur seltsam verstümmelte Skelette. Aber es lauert auch eine uralte Gefahr in Form einer durchgeknallten Roboter-Hydra…

Das Setting kennen wir aus Waterworld: nach der titelgebenden Sintflut (es hörte einfach nicht auf zu regnen) ist auch hier die Erde komplett mit Wasser bedeckt. Doch im Unterschied zu Kevin Reynolds‘ Film befinden wir uns hier weiter in der Zukunft. Viel, viel weiter. Die Erinnerungen an die Zeit vor der Sintflut sind praktisch verblasst. Und die Menschen haben sich weiter entwickelt, sind mutiert, genetisch und mechanisch verändert und angepasst. Somit haben wir hier Science Fiction pur. Eine Weltraumoper im Wasser. Jason, der ganz flapsig den Unterwasser Han Solo gibt (inkl. Wunderboot, das nach einem Blues-Musiker benannt ist, für den Rasenden Falken steht und auch wie ein Raumschiff ausschaut) und die attraktive Normaée sind die Gejagten, die Jäger sind die Mutanten von Coriolis und die Soldaten auf der geheimen Basis der Europa-Union, die sich als Herrenmenschen fühlen und aufführen.

Auch optisch gibt es nichts zu meckern. Jesús Hervás Milláns Zeichnungen sind grundsolide bis überdurchschnittlich. Actionreiche Kampfszenen wechseln mit ruhigen, oft etwas Hintergrund erklärenden Dialog-Passagen zwischen Jason und Normaée. Dass die (Unterwasser-)Welt düster und gefährlich ist, versteht sich von selbst. Und so kommen auch gigantische Seeschlangen (oder wahlweise Riesenmuränen) zum Einsatz und das verrückte Hydra-Roboter-Wesen, das sich nach Menschlichkeit sehnt, ist sehr originell inszeniert. Und optische Leckerli, die beim Leser für Aha-Erlebnisse sorgen, wie der Eiffelturm oder die Nike von Samothrake, die in der (sprichwörtlich) vorsintflutlichen Basis steht und heute im Louvre zu bestaunen ist, erzeugen eine authentische SF-Atmosphäre.

Der zweite Teil offenbart dann die Ursprünge von Normaées Schiff und das Ziel ihrer Mission. Und da wird es etwas unübersichtlich, was daran liegt, dass nicht alles von dem, was geschieht, erklärt wird (Was ist mit den Bewohnern der Basis geschehen? Welches Ziel verfolgt Königin Coriolis? Wer sind die geheimnisvollen Nomaden?). Das hat – zugegeben – auch seinen Reiz und regt die Fantasie an. Aber so bleibt einiges im Dunklen und es ist eigentlich schade, dass wir diese interessante Welt nach einem so kurzen – und kurzweiligen – Streifzug, den Splitter komplett im Double Format veröffentlicht,  schon wieder verlassen müssen. Vielleicht erbarmt sich Nicolas Pona (Das Reich Sienn, drei Bände – ebenfalls bei Splitter) und es kommt noch was nach. Wir wären wieder mit an Bord. (bw)

Sintflut
Text: Nicolas Pona
Bilder: Jesús Hervás Millán
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-016-4

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