Paris. Zwei Freundinnen. Jung, sexy und lebenslustig. Die eine, Calista, studiert, arbeitet nebenher bei McDonald’s und babysittet abends die kleine Emma, Tochter eines wohlhabenden Paars, das ein luxuriöses Appartement bewohnt. Ob und wo Anna – die andere – arbeitet, erfahren wir nicht. Anna ist eine amoralische Draufgängerin, die sich ihre Männer aussucht und nimmt, was sie will. Calista ist da etwas zurückhaltender, aber auch kein Kind von Traurigkeit. Aber beide gemeinsam plagen ständig Geld-und Wohnungsprobleme. Nachdem Anna bei ihrer Freundin einzieht, spinnen die zwei eine irrwitzige Idee, die in einer Wette mündet: diejenige, die es schafft, mit Jean, dem 40-jährigen Vater der kleinen Emma anzubandeln und dann den Platz von Ines, der Ehefrau, an Jeans Seite einnehmen kann, hat gewonnen. Geld-und Wohnungsprobleme wären mit einem Schlag gelöst. Für die Siegerin zumindest.
Während Calista versucht, eher subtil aber doch irgendwie eindeutig an die Sache, sprich Jean, heranzugehen, nimmt Anna gleich den direkten Weg und will Jean ohne Umschweife im Auto verführen. Ob und wie das gelingt, ist unklar, aber Anna scheint zunächst im Vorteil, während Calista bei ihrer Anmache sichtlich abblitzt. Dann muss Ines kurzfristig zu ihrem Vater reisen, der nach einem Gehirnschlag im Krankenhaus liegt. Denkste. Denn auch Ines, deren Ehe mit Jean nicht mehr rund läuft, ist kein Kind von Traurigkeit. Ihr Liebhaber, der an der fernen Atlantikküste lebt, hat die Sache mit ihrem Vater fingiert, um endlich eine Woche mit Ines gefahrlos verbringen zu können. Alleine im Appartement ist Jean nun auf die Babysitterin Calista angewiesen und bittet sie, die Woche bei ihm zu wohnen, um sich um Emma zu kümmern. Calista wittert ihre Chance, doch auch Anna bleibt nicht untätig…
Was wie der Titel eines schwülstigen David Hamilton Films (kennt den noch jemand?) klingt, ist eine originell angelegte Story um eine aberwitzige Wette. Zugegeben, alleine die Zeichnungen hätten mich nicht verleitet, den Band zu lesen. Die Einflüsse aus dem Zeichentrick- und Manga-Stil (spitzes Kinn, große Augen, Kindchenschema) stechen sofort hervor. Nicht unbedingt meins, wobei Grelin die jungen Damen stets elegant verführerisch in Szene setzt. Direkt dagegen wirken die dezente, geradezu ‚unbunte‘ Farbgebung und natürlich die Story, die sich an erwachsene Leser richtet. Die ist dann auch auschlaggebend für die Lektüre gewesen. Denn die stammt von Jim (Thierry Terrasson), von dem zuletzt der traumhafte Zweiteiler Eine Nacht in Rom bei Splitter erschien (den er auch zeichnete) und dessen Graphic Novels (Sonnenfinsternis, Die Einladung) bisher stets höchst angenehm lesbare Unterhaltung garantierten. Daneben schreibt er als Téhy den Science Fiction Actioner Yiu (ebenfalls bei Splitter). So ist auch dieser Band locker und leicht erzählt, bisweilen frivol und wird von den beiden jungen Hauptpersonen getragen, die sich einen moralisch fragwürdigen Wettbewerb liefern. Ganz naiv und rücksichtslos, ohne groß über die drohenden Konsequenzen nachzudenken. Was in Richtung Schluß zu einer gewissen Dramatik führt. Denn der Plan der beiden (wie die Sache endet, verraten wir natürlich nicht) und seine Ausführung hat nachhaltige Auswirkungen auf das zukünftige Leben der Beteiligten. Positive, wie auch negative. Mehr oder weniger. Eine runde Sache, Lesespaß von der ersten bis zur letzten Seite. (bw)
Süße Versuchung
Text: Jim
Bilder: Grelin
160 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-756-8