Menschenfresser! Die gibt es nicht nur auf der – nur vermeintlich einsamen – Insel des Herrn Robinson Crusoe, sondern auch in der nicht näher definierten, trüben Zukunft, die uns Hajime Isayama in dieser Serie serviert. Im Gegensatz zu Freitag und Konsorten, die sich mehr oder weniger heimlich durch die Gegend stehlen, haben sich die Titanen – in der Tat von riesiger Körpergröße – über das ganze Land ausgebreitet und die Menschheit dabei fressender weise ziemlich dezimiert. Woher genau die Plage kommt, vermag niemand zu sagen, wie in den klassischen Zombie-Stories sind die Unholde einfach da und nehmen alles zwischen die Zähne, was ihnen unterkommt. Die versprengten Überlebenden kesseln sich in festungsgleichen Städten ein und hoffen, hinter himmelhohen Mauern vor dem wandelnden Unheil geschützt zu sein. Dort träumen dann als Phantasten beschimpfte Aufrechte davon, zumindest einmal die Außenwelt zu Gesicht zu bekommen, die doch einmal der Menschheit gehörte. Einer davon ist der junge Eren, der miterleben muss, wie trügerisch die Sicherheit doch ist, als ein riesiger Titan die äußere Mauer seiner Stadt zertrümmert und damit zeigt, wie hoffnungslos die Lage doch in Wirklichkeit ist. In immer neuen Attacken legen die Titanen die Heimstätten der Menschen in Trümmer, fressen sich gnadenlos durch ihre Opfer und sind scheinbar unaufhaltsam. Aber ein unbeugsames Fähnlein wirft sich ihnen entgegen und führt die Überlebenden ins letzte Gefecht, bei dem auch Eren einen hohen Preis für seinen Traum von der Außenwelt bezahlt…
In stimmungsvollem Schwarz-Weiß präsentiert Isayama hier einen Stoff, der an Endzeitthriller genauso erinnert wie an die guten alten John Ford-Western: die Titanen sind tumbe Gestalten, die aus unerfindlichen Gründen nur Menschenfleisch fressen, wie das schon Romeros Untote taten. Die Belagerung der Städte steht nicht nur in bester Zombie-, sondern auch Rio Bravo-Manier, der Rückzug der Menschheit in ummauerte Gebiete lag jüngst auch im Kern der Spektakel World War Z und Pacific Rim, und die durchaus grausigen Metzeleien der Unholde, die die beherzt attackierenden Menschen genüsslich verschlucken und knirschend zerkauen, erinnert mehr als einmal an die Schlachtorgien des Alien-Krabbelzeugs in Starship Troopers. Durch den Fokus auf eine kleine Schar jugendlicher Aufrechter gelingt Isayama dabei, das Geschehen weg von globaler Vernichtung hin zu individuellen Schicksalen zu lenken, was stets ein Kennzeichen guter Horror-Literatur liefert. Dabei sorgen eingestreute, lexikonhaftige Seiten für einen fiktiven Geschichtsbuch-Touch, der die großflächigen Action-Sequenzen gekonnt kontrastiert. In der üblichen Manga-Lesart (von hinten nach vorne und rechts nach links) gehalten, aber dennoch realistisch angehaucht und somit durchaus auch für Leser, die in diesem Metier nicht versiert sind und jeden Tag Cosplays abhalten. Band 2 ist in Vorbereitung. (hb)
Attack on Titan, Band 1
Text & Bilder: Hajime Isayama
192 Seiten in schwarz-weiß, Taschenbuch
Carlsen Verlag
6,95 Euro
ISBN: 978-3-551-74233-9