
Meredith Pearson ist eine rüstige Rentnerin. Ihr Hobby sind Antiquitäten, v.a. französische – schließlich war auch ihr verstorbener Mann Franzose. Eigentlich war sie im Aktionshaus auf der Suche nach einem goldenen Bilderrahmen, dann haben es ihr zwei alte Stühle angetan, schön gepolstert, verziert und vergoldet. Doch wie wertvoll sind beiden Fauteuils überhaupt? Kurzerhand reist sie mitsamt ihren Erwerbungen und ihrem Großneffen Sam, der seit Kindheitstagen bei ihr lebt, nach Paris, um dort Wert und Herkunft der Stühle feststellen zu lassen. Was in einer kleinen Enttäuschung endet.
Aber nur vorläufig. Denn dann geschieht in der Familie des besuchten Antiquitätenhändlers ein Mord – und Tante Merry, wie Sam sie nennt, und er sind sozusagen mittendrin und gehören anfangs sogar zum Kreis der Verdächtigen. Dabei sollte man wissen: Meredith und Sam sind auch erfolgreiche Hobby-Detektive und konnten in der Vergangenheit schon diverse Verbrechen aufklären, was dem hier ermittelnden Inspektor Vaillant auch durchaus bewusst ist…
So entspinnt und entwickelt sich ein Krimi. Und zwar einer der alten Schule. Keine Action, keine Thriller-Elemente irgendwelcher Art (Matt Kindts „Dept. H“, ebenfalls bei Skinless Crow erschienen, ist ja auch ein Krimi, nur eben ganz anders gestrickt und mit eben solchen Motiven). Nur zwei aufmerksame Hobby-Ermittler, dazu ein cleverer Inspektor, der eine gehörige Portion Arroganz mitbringt. Und in bester Agatha Christie Manier ein hermetischer Kreis an Verdächtigen aus einer Familie, die ihr beträchtliches Vermögen mit zweifelhaften Geschäften gemacht hat.
Auslöser und Antreiber der Story bis zum Mord ist die Geschichte um die beiden Stühle, die weniger antik sind als vermutet. Dann geschieht der Mord und Inspektor Vaillant beginnt mit seinen Verhören, wobei sich erstaunliche Familiengeschichten offenbaren, hinter denen Mordmotive stehen könnten. Oder eben auch nicht. Und zusätzlich werden feine Verbindungen zu den beiden Fauteuils offenbar, die bis 1904 zur Weltausstellung in St. Louis zurückreichen.

Das Finale und damit die Aufklärung des Mordes überrascht dabei mit einem Twist, wie es sich für einen guten Krimi gehört, aber dann doch wieder ganz anders, als man vermuten oder spekulieren mag. Und das Ende gestaltet sich durchaus facettenreich und zieht sich – positiv gemeint – über mehrere erhellende Episoden. Matt Kindt bleibt dabei seinem urtypischen Zeichenstil treu: skizzenhafte Panels, die den Wasserfarben oft freien Lauf lassen.
Dazwischen setzt Kindt seine Stilmittel: Originell arrangierte Seiten und Perspektiven, teils schön experimentell, wie Grundrisse in Draufsicht, oder filmische Großaufnahmen, die das Abgebildete erst vollends erkennen lassen, wenn die „Kamera“ in den Folgepanels zurück weicht. Übrigens: Margie Kraft Kindt, hier als Co-Autorin genannt, ist Matt Kindts Mutter. Sie hatte die Idee zur Story und schrieb damit ihre erste Graphic Novel mit, die bei Dark Horse 2024 ursprünglich in drei Teilen erschienen ist. Jetzt bringt Skinless Crow das Werk als Sammelband heraus, der sich wie stets bei Werken von Matt Kindt absolut lohnt. (bw)
Der goldene Rahmen
Text & Story: Margie Kraft Kindt, Matt Kindt
Bilder: Matt Kindt,
215 Seiten in Farbe, Hardcover
Skinless Crow
39,50 Euro
ISBN: 978-3-03963-061-5