
Department H – eine Unterwasser-Forschungsstation im Marianengraben, in 11.000 Metern Tiefe. Hier wollte Dr. Hari Hardy, ein berühmter Wissenschaftler und Konstrukteur der Tiefseestation, mit seinen Leuten ein Heilmittel, einen Impfstoff gegen ein hochgefährliches Virus finden, das in einer Epidemie gerade unzählige Menschenleben fordert. Doch dazu kommt es zumindest vorerst nicht mehr. Denn Dr. Hardy wurde ermordet. Und ausgerechnet seine Tochter Mia wird von der Regierungsorganisation USEAR (Underwater Science Exploration and Research), die seit Jahrzehnten die Arbeit des Vaters überwacht, beauftragt, den Mörder in der Tiefe zu überführen.
Denn nach dem Tod des Vaters befinden sich noch sieben Personen in der Forschungsstation, darunter Roger, der Geschäftspartner des Vaters und Lily, eine Freundin Mias aus Kindertagen. Und ihr Bruder Raj, mit dem sie sich nicht sonderlich gut versteht. Doch kaum als Mia mit ihren Ermittlungen starten will, scheint sich alles (und alle?) gegen sie verschworen haben: ihr Bruder bleibt bei einem Tauchgang verschollen, der Biologe Jerome verliert die Nerven und dreht durch und dann erschüttern auch noch gewaltige, offenbar vorsätzlich herbeigeführte Explosion die Station, was massive Wassereinbrüche und damit akute Lebensgefahr zur Folge hat…
„Dept.H“ (kleines, gelungenes Wortspiel) erschien schon einmal bei uns, allerdings unvollständig. Der Hinstorff Verlag brachte Anfang 2019 einen Band der zwischen 2016 und 2018 bei Dark Horse erschienenen Serie, der sich inhaltlich mit dem ersten US-Sammelband deckte. Dann war leider Schluss. Jetzt wagt Skinless Crow, inzwischen sowas wie der hiesige Haus- und Hofverlag von Matt Kindt, einen neuen Anfang – und macht damit Nägel mit Köpfen. Die ersten zwölf US-Hefte erscheinen in diesem Omnibus-Band (dem ein abschließender zweiter folgen wird) mit mächtigen 368 Seiten, und damit erfahren wir endlich, wie es mit Mia Hardy und ihren Ermittlungen in der Tiefsee weiter geht.

Aber nicht nur umfänglich, sondern auch inhaltlich ist der Omnibus der Hinstorff Ausgabe überlegen: Er kommt als Hardcover daher, das Lettering ist um Welten besser und ganz nah am Original und zusätzliche Seiten, wie Mias Tagebucheinträge zu den Verdächtigen oder Beschreibungen des Tiefsee-Equipments, reichern die Story weiter an, geben ihr neue Informationen und damit zusätzlich „Tiefe“. Und als Gimmick spendiert Skinless Crow dem Band noch ein Glow in the Dark-Cover.
Wer angesichts der Komplexität und Abstraktheit von Matt Kindts „Mind MGMT“ ächzte (ebenfalls in drei Omnibussen beim Verlag erschienen), tut sich hier leichter. Die Geschichte rund um den Mord an Mias Vater ist geradliniger erzählt, als eine Mischung aus Krimi, Thriller und klaustrophobischer Unterwasser-Katastrophen Story. Anfangs lernen wir die Figuren oberhalb und unterhalb der Wasseroberfläche kennen. Vor allem unterhalb, denn von den verbliebenen sieben Personen in der Tiefseestation muss eine der Mörder sein. Diverse Katastrophen bedingen dann, dass Mia ihre Ermittlungen unterbrechen muss. Denn Überleben geht nun mal vor.
Hier nutzt Matt Kindt die Zeit, während Mia und Roger eingeschlossen auf Rettung warten, und erzählt in ausführlichen Sequenzen die durchweg außergewöhnlichen Biografien der Unterwasser-Mitstreiter, wodurch wir noch mehr Hintergrundwissen über die Charaktere erhalten. Dazu erfahren wir noch einiges über Hari Hardy, der seine Forschungen stets über seine Familie stellte. Der Verdächtigen-Fokus ändert sich somit ständig – jeder und jede könnte ein Motiv haben, und wird dann doch wieder entlastet. Vermeintlich zumindest. Und als übergeordnete Rahmenhandlung ist da die Entwicklung des Impfstoffes, um die globale Pandemie zu bekämpfen (was wir ja noch zur Genüge kennen).
Zeichnerisch bleibt Matt Kindt seinem Stil treu. Die Panels kommen skizzenhaft und gleichzeitig treffsicher daher (die Kolorierung besorgte seine Frau Sharlene). Viele Sequenzen sind filmisch fließend angelegt und benötigen dann auch keinen Text. Auf Übersinnliches oder Übernatürliches (Stichwort „The Abyss“) verzichtet Kindt (wobei die Episode, mit den Seespinnen schon spooky ist). Die Science Fiction Elemente beschränken sich auf das futuristische Equipment, das ja in 11.000 Metern Tiefe funktionieren muss, wie die Tauchanzüge oder die Tauchboote. Der kleine Anhang zeigt noch diverse Skizzen und Entwürfe und gibt Einblicke in die Gedanken Matt Kindts (so ist das Vorbild Hari Hardys der Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau). Wer einen spannenden Thriller in einem höchst ungewöhnlichen Setting sucht, wird hier schnell fündig! (bw)
Debt. H, Omnibus 1
Text & Story: Matt Kindt
Bilder: Matt Kindt, Sharlene Kindt
368 Seiten in Farbe, Hardcover
Skinless Crow
49,90 Euro
ISBN: 978-3-03963-056-1