Vom Winde verweht, Band 2 (Splitter) | Comicleser

Vom Winde verweht, Band 2 (Splitter)

September 30, 2025
Vom Winde verweht, Band 2 (Splitter Verlag)

Südstaaten, Februar 1866: Atlanta ist zerstört, die Konföderierten haben den Bürgerkrieg verloren, Tara ist weitgehend verwüstet. Als Scarlett O’Hara ihre Tante Pitty besucht, berichtet ihr die alte Dame, dass der alte Schwerenöter Rhett Butler im Knast gelandet ist. Nicht ganz uneigennützig stattet Scarlett ihrer alten Flamme einen Besuch ab: sie braucht dringend 300 Dollar, um eine Steuerschuld begleichen zu können, und Rhett hat sich im Bürgerkrieg in der Warenblockade eine goldene Nase verdient (ganz zu schweigen davon, dass er gerüchtehalber auch Teile des Goldes der Südstatten beiseite geschafft hat). Rhett lehnt alle Angebote Scarletts, auch die eher eindeutiger Natur, allerdings herablassend ab.

In ihrem Frust wirft Scarlett daraufhin eine Auge auf Frank Kennedy, der einen gutgehenden Laden betreibt. Dumm nur, dass Frank mit Scarletts Schwester Suellen verlobt ist – aber mit einem gewissenlosen Trick sorgt Scarlett für ein Zerwürfnis und heiratet Frank kurzerhand selbst. Tara ist kurzfristig gerettet, Scarlett steigt bei Franks Laden ein und treibt in kürzester Zeit Außenstände ein, die der viel zu gutmütige Herr bei säumigen Schuldnern hat. Der mittlerweile wieder auf freiem Fuß befindliche Rhett tritt wieder auf der Plan, gibt freimütig zu, das er in der Tat jede Menge Reichtümer abgezweigt hat – und erklärt sich bereit, Scarlett ein weiteres geschäftliches Projekt zu finanzieren. Dank eines kleinen Darlehens von Rhett kauft Scarlett ein Sägewerk, in dem sie großes Potenzial sieht und das sie dank eisernem Geschäftssinn und durchaus rücksichtsloser Praktiken auch tatsächlich zum Erfolg führt, was Rhett staunend anerkennen muss, auch wenn er die Methoden nicht gutheißt.

Da Scarlett ihr erstes Kind mit Frank eher als Hindernis für ihre geschäftlichen Aktivitäten sieht, beschließt sie nach einem Besuch auf Tara, bei dem sie entsetzt vom Tod des Vaters erfährt, ihre alte Liebe Ashley Wilkes als Geschäftsführer auf Zeit einzusetzen, der auf Drängen seiner Frau Melanie das Angebot zögernd annimmt. Frank erweist sich jedoch als weitgehend unbrauchbar – Scarlett entwickelt nebenbei eine heftige Eifersucht auf Melanie und lehnt sogar Rhetts mittlerweile ernsthaft vorgetragenen Liebesbekundungen ab. Sofort nach der Geburt des Kindes, das Scarlett ablehnt, steigt sie umso verbissener wieder ins Geschäft ein…

Auch in Teil 2 seiner ausladenden Umsetzung von Margaret Mitchells Roman eröffnet uns Pierre Alary wieder einen Blickwinkel, der von der epochalen Filmversion von 1939 einigermaßen verstellt ist. Steht auf der Leinwand die Schmachtliebe, Schicksalsschläge und Unbeugsamkeit der Protagonistin im Mittelpunkt, lenkt Alary den Fokus durch seine werktreue Umsetzung auch auf die kontroversen Seiten der Scarlett. Offen rassistisch hasst sie die „Freigelassenen“ und betreibt private wie öffentliche Angelegenheiten in teilweise erschreckender Gewissenlosigkeit. Enorm getrieben von der Gier nach Geld, zögert Scarlett nicht, Sträflinge auszunutzen und von einem sadistischen Aufseher antreiben zu lassen. Geldgierige Karrierebitch – oder proto-Feministin, die vehement gegen die Konventionen ihrer Zeit und Gesellschaft vorgeht?

Diese Einschätzung verwischt zunehmend, und selbst Rhett muss zugestehen: „Was immer Sie auch tun: Sie sind anders als alle anderen Frauen und dabei auch noch erfolgreicher. Ich habe Sie ja gewarnt. Es ist eine unverzeihliche Sünde, nicht so wie alle zu sein. Das gilt in jeder Gesellschaft.“ Rhett selbst erscheint faszinierend und zwielichtig zugleich, tritt im Laufe der Ereignisse immer wieder in Erscheinung bis hin zu den zutiefst tragischen Schlussakkorden, in denen gegen Ende des Reigens die beiden doch noch zusammenfinden, die Tragik unerbittlich zuschlägt und sich Rhett schließlich mit seinem berüchtigten „Frankly, my dear, I don’t give a damn“ (im Film der späten 30er Jahre noch ein echtes Problem, hier übersetzt als „es ist mir völlig egal“) abwendet.

Zurück bleibt eine Scarlett, die aufrecht-trotzig feststellt, dass morgen trotz allem ein neuer Tag sei. Auch optisch hat Pierre Alary hier wieder einiges zu bieten, der leicht cartoonhafte Stil täuscht nicht über die Gravitas der Ereignisse zurück, in denen immer mitschwingt, wie sehr die Zeit des Bürgerkriegs die Nation spaltete. Was ja auch derzeit wieder eine gewisse Aktualität hat. Das großformatige Hardcover beendet auf 152 Seiten die Umsetzung und erscheint bei Splitter gewohnt hochwertig. (hb)

Vom Winde verweht, Band 2
Text & Story: Pierre Alary, nach Margaret Mitchell
Bilder: Pierre Alary
152 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-98721-268-0

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