Hercule Poirots Weihnachten (Carlsen)

Dezember 6, 2024
Agatha Christie Classics, Band 3: Hercule Poirots Weihnachten (Carlsen Verlag)

Weihnachten 1937: der exzentrische alte Geldsack Simeon Lee, der mit Diamantenminen ein Vermögen gemacht hat, macht sich eine diebische Freude daraus, seine verkrachte Familie dadurch zu malträtieren, dass er sie alle zum weihnachtlichen Zusammentreffen einlädt. Nach und nach trudeln die verwunderten Gäste ein, darunter auch lange nicht oder nie gesehene Figuren wie der verstoßene Sohn Harry, eigentlich die Schande der Familie, und die junge Pilar, Tochter einer durchaus flatterhaften Dame und Simeons Enkelin. Spannungen sind vorprogrammiert, als Lee der zerstrittenen Meute süffisant eröffnet, er wolle sein Testament ändern, den Unterhalt für den unterwürfigen, rückgratlosen Sohn George kürzen und im Gegenzug auch schwarze Schafe wie Harry wieder ins Haus holen.

Nach einer Generalabrechnung mit der ganzen Familie – nach Meinung des alten Grantlers allesamt Totalausfälle, die auf die lange verstorbene Mutter schlagen – zieht man sich bedröppelt und erbost zurück. Anstelle des angekündigten Abendessens kommt es am Morgen des 25. allerdings anders: ein markerschütternder Schrei alarmiert die Familie, man findet Opa Lee bestialisch ermordet in seinem Zimmer vor. Da trifft es sich gut, dass Detektiv Sugden schon vor Ort ist – denn Simeon hatte schon festgestellt, dass man aus seinem Tresor die Rohdiamanten gestohlen hatte, die er als Reserve dort aufbewahrte. Sugden zögert nicht lange und schaltet den gerade im Nachbarort weilenden Hercule Poirot ein, um gemeinsam mit ihm in der Sache zu ermitteln. Nach und nach verhören die beiden alle Insassen des Hauses und kommen schnell zur Erkenntnis: ein Motiv hätte jeder gehabt, inklusive der Dienerschaft – und der Täter muss sich nach wie vor im Haus aufhalten…

Mit „Hercule Poirot’s Christmas“ legte die Queen of Crime Agatha Christie 1938 ihren insgesamt 24. Kriminalroman vor, in dem sie den schrulligen belgischen Meister der „kleinen grauen Zellen“ wieder auf die Spur eines Mordes ansetzte. Dabei kam wieder das Grundprinzip des „closed room“ zum Tragen, also der Ermittlung in einem abgeschlossenen Umfeld, das Christie auch in den Poirot-Großtaten „Tod auf dem Nil“, „Das Böse unter der Sonne“ und „Mord im Orient-Express“ schon einsetzte: der Mörder hält sich nach wie vor am Tatort auf und muss unter den anwesenden Figuren zu finden sein (was sich dann die wunderbare Parodie „Murder by Death“/“Eine Leiche zum Dessert“ höchst amüsant zu eigen machte). Verdächtig ist naturgemäß jeder, vom übervorteilten George und dem Nichtsnutz Harry und den geldgierigen Ehefrauen bis hin zur zwielichtigen Dienerschaft.

Neben den üblichen „Roten Heringen“, also den bewusst gestreuten falschen Fährten, und dem Konzept des sukzessiven Verhörs aller Anwesenden, Stilmittel in allen closed room-Fällen, zaubert Agatha Christie hier im Weihnachts-Setting noch ein wenig Charles Dickens-Flair: der alte Lee ähnelt mit seinem sadistischen Zynismus sicherlich nicht zufällig dem alten Ebenezer Scrooge, bevor er in der wunderbaren Christmas Carol durch den Besuch dreier Geister geläutert wird. In ihrer Adaption bleibt Isabelle Bottier nahe an der Vorlage (im Gegensatz zur „Toten in der Bibliothek“, die als Graphic Novel in die Swinging Sixties versetzt wurde) und greift sich die zentralen Szenen gekonnt heraus, während Callixte seine Zeichnungen im gediegenen franko-belgischen Stil serviert und dabei in den Außenszenen atmosphärische Weihnachtsstimmung einfängt. Damit erneut ein schöner Beitrag aus der kleinen Reihe mit Poirot-Adaptionen, die bei Carlsen unter der Flagge „Agatha Christie Classics“ erscheinen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht. (hb)

Agatha Christie Classics, Band 3: Hercule Poirots Weihnachten
Text & Story: Isabelle Bottier, nach Agatha Christie
Bilder: Callixte
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
20 Euro

ISBN: 978-3-551-80426-6

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