„Unheilige Bräute der grausigen Sklaven im düsteren Haus der Nacht des finstren Verlangens“. Das ist doch mal ein Titel. Und der ist auch Programm, was diesen Band betrifft. Oder auch nicht. Denn nichts steht hier fest geschrieben – vielmehr haben wir es hier mit einer „Story“ zu tun, die so ziemlich jedes Motiv anspielt oder streift, das eine gute Geschichte ausmacht, die im Genre des Gothic Horror spielt. Eine Art Gaiman’sche, satirische Fingerübung innerhalb des Genres.
Die „Story“ spielt auf zwei Ebenen. Zuerst sehen wir die Jungfrau in Nöten: Amelia Earnshawe klopft verzweifelt des Nachts in einem finsteren Tann an die Tür eines einsam am Rande des Moores gelegenen Herrenhauses. Natürlich. Ein seltsamer Diener, der zwar nicht „Blücher“ ruft, ansonsten aber in Rätseln spricht, öffnet ihr. Jetzt kommt die zweite Ebene ins Spiel. Wir sehen, dass die Story mit Amelia erdacht ist und aus der Feder eines ambitionierten Schriftstellers stammt, der damit jedoch alles andere als zufrieden ist…
Immer wieder gleitet der anonyme Schriftsteller, der große Literatur erschaffen will, ins Lächerliche ab und stellt dann klagend und hadernd sein Werk in Frage. Dabei widerfährt ihm selbst Seltsames. So taucht aus dem Nichts sein vermeintlich toter Bruder auf, woraufhin sich beide duellieren. Später spricht Poes Rabe zu ihm und empfiehlt ihm, es mal mit Fantasy-Literatur zu versuchen (was er ja gerade tut). Und in seiner Fiktion findet Amelia in einem Geheimfach im Skriptorium ein Abkommen mit den Ghulen, die bedrohlich an der Tür des Herrenhauses rütteln.
Solch plötzliche, scheinbar unmotivierte Wendungen bar jeglicher Logik durchziehen ganz bewusst beide Erzählebenen, wobei Amelias Geschichte in Schwarz-Weiß und die Szenen mit dem Autor in Farbe gehalten sind. Für den Autor ist es normal, wenn der Rabe spricht. Und überall im Dunklen, draußen wie drinnen, vernimmt man geheimnisvolle Laute und in den Ecken und Winkeln lauern dämonenhafte Gestalten – Kobolde, wie vermeintliche Unholde.
Dieses Gothic Horror Sammelsurium stellt damit einen ungewöhnlichen wie skurrilen und selbstironischen Beitrag zur Neil Gaiman Bibliothek dar, die bei uns aktuell zwischen den beiden Verlagen Splitter und Dantes aufgeteilt ist. Ein Band, dem die außergewöhnlichen Zeichnungen von Shane Oakley ihren passenden Stempel aufdrücken. Oakley arbeitete bereits mit Neil Gaiman zusammen, aber auch mit Alan Moore und zeichnete einige Kapitel von Dean Motters „Mister X“.
Seine Panels, vor allem die in Schwarz-Weiß gehaltenen, sind clever ausgeleuchtet, spielen mit Licht und Schatten, kommen kantig, bald bizarr und expressionistisch daher. Und ähneln dabei in ihrer Stilisierung dem aktuellen Zeichenstil eines Mike Mignola, wobei sie weniger reduziert und damit üppiger angelegt sind. Und damit zur Story und v.a. zu dem Erzählstil passend. Im Original („Forbidden Brides of the Faceless Slaves in the Secret House of the Night of Dread Desire“ – das musste jetzt sein) erschien der Band bei Dark Horse bereits 2017 als One-Shot. (bw)
Unheilige Bräute der grausigen Sklaven im düsteren
Haus der Nacht des finstren Verlangens
Text & Story: Neil Gaiman
Bilder: Shane Oakley
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
17 Euro
ISBN: 978-3-98721-251-2