Halbzeit bei der Michel Vaillant Gesamtausgabe von Autor und Zeichner Jean Graton (1923-2021). Band 10 (von 20) startet mit Kurzgeschichten aus dem Jahr 1971: „Die Drohung von Mont-Tremblant“ – hier erpresst ein Tüftler den Vaillant-Rennstall und droht das Rennen im kanadischen Quebec zu sabotieren (8 Seiten). In „Zolder“ gewinnt Michel ein Formel 2 Rennen auf der belgischen Grand Prix Strecke, das er eigentlich nicht gewinnen soll. Aus einem bestimmten wie kuriosen Grund (6 Seiten). Ein Schmankerl bietet „Foto-Finish“. Die nur vierseitige Episode erschien 1974 im offiziellen Programmheft des Großen Preises von Belgien in der Formel 1. Hier liefert sich Michel ein fiktives, knappes Rennen mit dem Brasilianer Emerson Fittipaldi, der in der Realität dann tatsächlich das Rennen gewann.
Nun folgen zwei jeweils 15-Seitige Storys, die inhaltlich zusammengehören: Michel und Steve sind auf geheimer Mission. Denn ein Prototyp soll auf dem Nürburgring erprobt werden, mit einem bestimmten, revolutionären Motor, der nur die Hälfte des üblichen Sprit-Verbrauchs hat. Die Story beginnt abseits der Rennstrecken auf der Burg Königsfeld, dem Familiensitz der Vaillant-Rennfahrerin Gabriele Spangenberg. Dort stiehlt eine Unbekannte die Aufzeichnungen zu dem neuen Motor und erpresst Michel anschließend damit, der wiederum zu einer List greift… („Dossier V2001“ und „Rendez-vous in Franchorchamps“).
„Brennpunkt San Francisco“ lautet der Titel der ersten albumlangen Geschichte von 1975/1976, die es in sich hat. Inspiriert durch US-Streifen wie Bullitt ist hier nicht nur auf dem Highway, sondern auch in den Straßen von San Francisco die Hölle los, inklusive Cameo von Karl Malden und Michael Douglas. Die Story besteht zu großen Teilen aus einer furios und grandios inszenierten Verfolgungsjagd, garniert mit ausladenden Panels, die die abschüssigen Straßen und die rasenden Boliden in originellen Perspektiven in Szene setzen (siehe Seitenausschnitt links unten). Zwei neue Stockcar-Modelle sollen als Weltpremiere vorgestellt werden und werden dann prompt gestohlen, was dieses illegale Wettrennen in der kalifornischen Metropole auslöst. Die Hintergründe sind dabei erst einmal völlig sekundär und werden am Ende der Story nachgeschoben, nach einer kuriosen Begegnung von Steve Warson mit einem Polizisten.
Mit „Panik in Monaco“ kommt nun eine Geschichte, die zwar schon 1975 entstand, die Autor und Zeichner Jean Graton aber aufgrund der unschönen Trennung vom Verlag Lombard nicht mehr ablieferte und die daher erst 1986 im eigenen, neu gegründeten Verlag Graton Éditeur veröffentlicht wurde. Und die deshalb übrigens erst im „neuen“ Zack zum Vorabdruck kam. Die Story dreht sich wieder um einen unbekannten Erpresser, der den Grand Prix von Monaco bedroht. Und der seiner Forderung mit zwei gottlob glimpflich ausgehenden Explosionen Nachdruck verleiht. Gemeinsam mit dem Polizei Inspektor Roman beratschlagt man Maßnahmen, um die Eskalation der Situation zu verhindern. Detaillierte Bilder des Fürstentums und die fundierten Einblicke hinter die Kulissen beeindrucken hier, bis es zum Action-betonten Finale kommt, in das natürlich Michel involviert ist.
Die letzte Story des Bandes ist gleichzeitig die schwächste. In „Die jungen Wölfe“, die 1977 bei Dargaud erschien (und im gleichen Jahr im Koralle Zack) dreht sich alles um den Nachwuchs. Aufstrebende Fahrer aus der Formel Renault und der Formal 3 stehen hier im Mittelpunkt, die sich aus verschiedenen Gründen und mit diversen, auch nicht ganz fairen Methoden profilieren wollen, um einen der begehrten Startplätze in der Formel 1 zu ergattern. Einer davon deutet einen kriminellen familiären Hintergrund an, ein anderer ist der Bruder von Steve Warsons Freundin, was die Sache dann auch noch persönlich werden lässt…
Eines der Markenzeichen der klassischen franko-belgischen Rennfahrer-Serie, die Jean Graton 1957 kreierte, ist die Einbindung des fiktiven Vaillant-Rennstalls in das reale und jeweilig zeitgenössische Renngeschehen. Reale Rennen, quer durch alle Motorsport-Sparten – der Vaillant-Konzern mischt überall mit -, dienen oft als Rahmen für eine Story, was dem Geschehen auch aufgrund des geballten Hintergrund-Wissens und der genauen Recherche Gratons vor Ort dann gerne eine dokumentarische Authentizität verleiht. Die Ergebnisse können dabei durchaus schwanken, von originellen action-lastigen Episoden wie die in San Francisco bis zu etwas blutleeren Darbietungen wie die mit den jungen Wölfen.
Das Sekundär Material ist verteilt auf den Band – zu jeder Story gibt es kurze aber wissenswerte Infos. Am Schluss lesen wir noch einen Beitrag über das sich durch den Einstieg von Sponsoren in den Siebziger Jahren verändernde Renngeschehen und diverse Ausschnitte und Abbildungen aus der Zack-Zeitung, die der Koralle Verlag eine Zeit lang an die Mitglieder des Zack-Clubs verschickte. Nostalgie pur für mich als ehemaliges Club-Mitglied! Der nächste Band der Collector’s Edition steht bereits in den Startlöchern, bzw. ist gerade erschienen. Die neuen Abenteuer und Alben der Reihe („Staffel 2“ und „Legenden“) erscheinen übrigens gegenwärtig in der Zack Edition bei Blattgold. Michel Vaillant bleibt damit ein Zack-Held der ersten Stunde. (bw)
Michel Vaillant Collector’s Edition, Band 10
Text & Bilder: Jean Graton
232 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
45 Euro
ISBN: 978-3-7704-0342-4