Cardiff, Wales, 14. Juni 1910. Auf der Jagd nach einem der letzten weißen Flecken auf der Landkarte der Welt sticht die Terra Nova in See. Die bestens gelaunte wie bunt zusammengewürfelte Mannschaft setzt sich aus Wissenschaftlern, Abenteurern und Seeleuten zusammen. Schon bald schweißt der gemeinsame Dienst auf dem Schiff, die harte Arbeit und die ständige Enge die Besatzung zusammen. Dienstgrade und gesellschaftliche Stände haben keine Bedeutung mehr. Man wird zu einer verschworenen Gemeinschaft. Daher die Frage: Warum die schlimmste Reise? Eine Reise, die so vergnügt beginnt? Nun, es ist die Reise von Robert Falcon Scott, zumindest der Teil davon, der noch weitestgehend nach Plan verläuft. Die Reise, auf der Scott und seine Männer das Wettrennen zum Südpol verlieren werden. Und schließlich auch ihr Leben.
Die ehemalige Disney-Trickfilmzeichnerin Sarah Airriess hat es sich zur Aufgabe gemacht, die schließlich tragisch verlaufende Reise Scotts, die als Terra-Nova-Expedition bekannt ist und die von 1910 bis 1913 dauerte, so akribisch wie nur möglich als mehrteilige Graphic Novel zu adaptieren. Sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf das Buch des Expeditionsteilnehmers Apsley Cherry-Garrard (1886-1959), der nicht an der „letzten“ Etappe zum Südpol teilnahm, weil er von Scott aussortiert wurde und so die Reise überlebte. Das Buch mit dem Titel „The Worst Journey in the World“ wurde zum internationalen Bestseller (auf Deutsch jedoch erst 2006) und wird bis heute gelesen.
Scotts Marsch zum Pol, die Niederlage gegen Amundsen und das tragische Ende kennt man landläufig. Umfang und Dauer des Expedition, die auch Forschungsreise war, sind jedoch angesichts des Dramas weniger bekennt. Folglich startet Sarah Airriess ihre Adaption zu Beginn der langen Reise, die von Cardiff u.a. über Kapstadt, Melbourne und Christchurch schließlich in die Antarktis ins Packeis führt, wo der Band mit dem Jahresende von 1910 schließt. Auch diese lange Anreise, die von Scott übrigens nur zum Teil begleitet wurde, barg ihre Gefahren, so wird die Terry Nova in einem Sturm nach ihrem letzten Halt im neuseeländischen Port Chalmers arg gebeutelt, als die Pumpen ausfallen und einiges an Ausrüstung über Bord geht.
Vorher schildert Sarah Airriess noch das Leben und den Alltag an Bord, und das immer wieder sehr ausführlich. Wir lernen die Personen kennen, deren Spitznamen, beobachten die Arbeiten der Wissenschaftler und Gelehrten und genießen mit der Mannschaft die Landgänge – das alles natürlich aus der Sicht von Apsley Cherry-Garrard, der sich übrigens mit 1.000 Pfund (damals ein kleines Vermögen) in die Expedition einkaufte. Dabei kommen viele Sequenzen ohne Worte oder mit viel Gesang aus und wir erfahren endlich, was „rundschwoien“ bedeutet… Es ist eine trügerische Ruhe vor dem Sturm, dessen erste Wolken aufziehen, als Scott von der Abreise Amundsens erfährt und das Packeis ein schnelles Vorankommen verhindert.
Die Zeichnungen sind leicht zugänglich im Stile eines Semi-Funnys gehalten (hier scheint die Disney-Schule durch), dabei sehr stimmig, auch bei der Kolorierung, und bilden so einen Gegenpol zur kommenden Tragik der Handlung. Wie ausführlich und genau die Recherche von Sarah Airriess ist, verdeutlichen die Anmerkungen im Anhang und die doppelseitigen Tableaus, beispielsweise mit einem Querschnitt der Terra Nova. Die Entstehung der Graphic Novel wird übrigens u.a. vom „Scott Polar Research Institute“ in Cambridge und dem „Antarctic Heritage Trust“ in Christchurch, Neuseeland, unterstützt. Im nächsten Band, der bisher noch nicht erschienen ist, wird es dann endgültig ernst… (bw)
Die schlimmste Reise der Welt, Band 1: Ums Kap nach Süden
Text & Bilder: Sarah Airriess, nach Apsley Cherry-Garrard
172 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
32 Euro
ISBN: 978-3-74163-329-4