Sitting Bull, Crazy Horse und Kollegen mussten es leidvoll erfahren: was passiert, wenn man Siedlern auch nur den kleinen Finger rüberstreckt? Richtig, kaum hat man sich’s versehen, ist flugs der Arm weg, sprich das Land besetzt, und man selbst darf in einer kleinen Enklave gnädig vegetieren. Ganz so schlimm ergeht es den Bewohnern der idyllischen Wasserwelt Aquablue zwar nicht, aber nachdem am Ende von Teil 1 durch politische Machenschaften diverser Lumpensöhne auf der Erde das Siedlungsverbot aufgehoben wurde, strömt ein kleiner aber stetiger Zug von humanoiden Gastarbeitern Richtung Paradies. Dort versuchen diese vordergründig alles, um sich als kooperativ, verständnisvoll und voller Hochachtung für Bewohner, Flora und Fauna zu zeigen: kein Abbau von Rohstoffen, keine bewaffneten Raumschiffe, keine Industrialisierung und vor allem kein Kontakt zwischen den Rassen.
Der geduldete ex-Findling Nao betrachtet das Ganze mit gesundem Mißtrauen, zumal seine blauhäutige Frau es nach wie vor ganz und gar nicht spaßig findet, dass er durchaus viel Zeit mit seiner irdischen Forschungskollegin verbringt. Da kommt es eigentlich gelegen, dass am Nordpol eine ungewöhnlich emsige Bautätigkeit entsteht, von der man trotz Präsenz vor Ort nicht ergründen kann, zu was sie eigentlich dienen soll. Gleichzeitig zerstören offenkundig irdische Stoßtrupps eine auf einem der Aquablue-Monde gelegene Abwehranlage, die im Krieg der beiden Welten vor Jahren den Erdenmännern massives Kopfzerbrechen machte. Und sektiererische Aufrührer verkünden gar nicht verhohlen das Credo, man solle Aquablue doch wieder zur eigentlichen Heimat der Menschen machen. Somit steht am Ende von Band 2 eine explosive Gemengelage mit eindringenden Siedlern, heuchlerischer Freundschaft und sich abzeichnenden, zerstörerischen Spannungen. Wird es Flash Gordon gelingen, diese abzuwenden? Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn es heißt: Band 3, Standard-Island.
In ihrer Neuauflage des 80er-Jahre-Klassikers setzen Hautière und Reno wie gehabt auf flotte Erzählweise, Parallelhandlungen und die durchgängige Frage, wie sich Kolonialismus, Industrialisierung, Integrität und Naturbewahrung vertragen. Die Aquablue-Bewohner erscheinen als (offenbar berechtigt) mißtrauisch gegen alles Neue, die Menschen geben sich teilweise naiv-gutmütig, aber meist verschlagen. Es riecht förmlich nach Genozid und Raubbau, was – wie schon in unserer Betrachtung von Band 1 festgestellt – nicht nur auf die gesamte irdische Historie seit Menschengedenken referenziert, sondern auch James Cameron eine Thematik lieferte, die er zwar populistisch-trivialisiert, aber bildgewaltig in seinem Opus Avatar darreichte. Reno setzt ebenfalls auf eindrucksvolle Panels, in denen tiefblaue und schwarze Schattierungen dominieren. Ein Augenschmaus, der durch Spannung und Denkanstöße um so mehr gefällt. (hb)
Aquablue: New Era, Band 2: Siebengestirn
Text: Régis Hautière
Bilder: Reno
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-596-0