Wenn es einen Reboot eines Franchises gibt, wie das der Niederbayer gerne mal sagt, dann ist damit die Neuauflage eines erfolgreichen Stoffes gemeint. So geschehen auch hier mit Aquablue, der Serie, die ursprünglich schon 1989 von Olivier Vatine und Thierry Cailleteau ins Leben gerufen wurde. Die erste Storyline drehte sich um den Kampf der idyllischen Wasserwelt Aquablue gegen den finsteren irdischen Industriekonzern Texec, der den Planeten in eine Eiswüste verwandeln wollte. Der auf Aquablue als Waisenkind aufgewachsene Erdenmann Wilfried Morgenstern, genannt Nao, legt den Lumpensöhnen allerdings das Handwerk, gründet eine Stiftung zum Schutz bedrohter Welten und Lebewesen und bereist fortan als Öko-Gutmensch das Universum.
Dort setzt nun die Neuauflage der Serie an: Nao hat die Nase voll vom Umhervagabundieren und kehrt nach Jahren der Abwesenheit auf seine Wahlheimatwelt zurück. Dort setzt er sich dafür ein, dass eine Gruppe irdischer Wissenschaftler die örtliche Flora und Fauna studieren darf, wobei man eine erstaunliche Entdeckung macht: die Erbmasse der Aquablue-Bewohner deckt sich weitgehend mit der ihrer irdischen Besucher. Das abgestürzte Raumschiff, das man eingefroren in der Antarktis gefunden hat, scheint zusätzlich den Beleg zu bringen, dass die Terraner letztendlich von Aquablue abstammen. Damit ist Ruhe und Frieden ein Ende gesetzt, denn die nach wie vor im Hintergrund agierende Texec inszeniert dieses Spiel so geschickt, dass das Gesetz gegen die Bevölkerung fremder Welten im Falle des Wasserplaneten außer Kraft gesetzt wird. Gleichzeitig befreit man einen Raumpiraten, der noch ein Hühnchen mit Noa zu rupfen hat, um ihn aus dem Weg zu schaffen. Somit steht Noa am Ende von Band 1 die Erkenntnis bevor, dass er durch seine Rückkehr unheilvolle Vorgänge ausgelöst hat, die sich zur handfesten Bedrohung für die paradiesische Welt und ihre Bewohner entwickeln könnten…
Wer bei den tiefblauen, haarlosen Aquablue-Bewohnern sofort an ein gewisses Kino-Abenteuer denkt, liegt damit definitiv nicht falsch: James Cameron bediente sich für sein wegweisendes Spektakel Avatar sowohl in Design als auch Story (so dünn sie auch gewesen sein mag…) durchaus freizügig aus der Vorlage von Vatine und Cailleteau – die Fragen von Ökologie, Kolonialismus, Rassismus (Morgensterns Name dürfte nicht zufällig gewählt sein) und Kapitalismus sind dort ebenso angelegt wie die Bild- und Formsprache, die Cameron in ein bildgewaltiges Epos verwandelte. Régis Hautière erzählt mit diesen Motiven eine straighte, spannende Story, in der Nao geplagt wird von Vorwürfen, er kümmere sich zu wenig um seinen Sohn, und dabei teilweise reichlich naiv die Machenschaften seiner Mithumanoiden unterschätzt. Gezeichnet von Reno, erscheint das Geschehen in beeindruckenden, blau dominierten ligne-claire-Panels, die insbesondere in den Unterwasser-Sequenzen eine eigene Magie entwickeln. Im besten Stil der franko-belgischen Science Fiction Comics wie Yoko Tsuno erschaffen die beiden somit eine packende Welt, in der durch deutliche Querverweise auf brandaktuelle Aspekte wie Umweltzerstörung stets der Realitätsbezug gewahrt ist. Band 2 erscheint im Herbst. (hb)
Aquablue: New Era, Band 1: Rückkehr zu den Wurzeln
Text: Régis Hautière
Bilder: Reno
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-595-3