Sherlock Holmes Society, Band 2 (Splitter)

Juli 24, 2016

Sherlock Holmes Society, Band 2 (Splitter)

Zombie-Invasion. Mr. Hyde. Und ein mörderischer Angriff, dem Dr. Watson beinahe zum Opfer gefallen wäre und den er nur schwerstverletzt überlebt. Für Sherlock Holmes, der nach den Reichenbach-Vorfällen eigentlich untertauchen wollte, überschlagen sich die Ereignisse buchstäblich. Der durchgeknallte Psychiater Shelvey, der für die Zombie-Plage im kleinen Nest Keelodge verantwortlich zeichnet, ist in Haft, die Angreifer waren ehemalige Patienten, die er zu Jack the Ripper-mäßigen Killern abgerichtet hat. Holmes überzeugt seinen Bruder Mycroft – tätig bei Scotland Yard – davon, dass er dem Drahtzieher der Keelodge-Affaire im Gefängnis einen Besuch abstatten darf, wo er allerdings auf eine Mauer des Schweigens trifft und Shelvey nichts über die Hintermänner des Walter Hoffman Instituts entlocken kann, die in die ganze Sache verwickelt scheinen. Einstweilen versteckt Holmes seinen ungleichen Partner Mr. Hyde in einer Wohnung im East End, wo dieser unstete Geselle versucht, mit einer Probe aus Keelodge den Grund für seine Immunität gegen das Virus zu erforschen und somit ein Heilungsserum zu entwickeln.

Auf weiterer Spurensuche sucht Holmes Morlay, den Schatzmeister des General Medical Council, auf und findet ihn und dessen Frau bestialisch ermordet vor, bevor er selbst nur mit Mühe den Angriffen des Attentäters entgeht, ehe der das Weite sucht. Im Gefängnis wird Shelvey indessen von einigen durchaus überzeugungsstarken Insassen befragt, bei denen Holmes einen Gefallen gut hat. So stellt sich heraus, dass Shelvey für eine Sekte namens das Konzil arbeitete und deren Interessen beim Medical Council vertrat. An seine Kontaktperson namens Ring lieferte Shelvey Testpersonen für Experimente, deren Ausgang man in Keelodge bestaunen konnte. Bewaffnet mit diesen Informationen, suchen Sherlock und Mycroft den Premierminister auf, der sich überzeugen lässt, Mr. Hyde Straffreiheit zuzusagen, sofern er im Krankenhaus des Kriegsministeriums weiter am Gegenmittel forscht. Gesagt, getan, worauf Sherlock Holmes und Mycroft sich aufmachen, um die kirchliche Seite der Sache zu erforschen. Graham Taylor, stellvertretender Bischof von Dover, berichtet ihnen weitere Hintergründe: die Kirche kennt das Konzil durchaus, das sei eine Sekte aus papsttreuen Katholiken, die es irgendwie weniger gut finden, dass sich England unter dem Zeichen der anglikanischen Kirche von Rom abgewandt hat. Den Opfern, von denen es mittlerweile Hunderte gibt, graviert man stets ein Zeichen ein, das Holmes aus den Vorfällen in Keelodge nur zu gut kennt.

Der lange Arm des Konzils einstweilen reicht bis ins Gefängnis: Ring dringt hinter die Mauern ein und tötet Shelvey und den letzten überlebenden Angreifer Sherlocks. Nachdem Eile offenbar Not tut, klappert Sherlock die Straßennamen ab, die er aus einigen verbrannten Notizen bei Morlay rekonstruieren konnte. Dabei wird er vom Konzil angegriffen und in die Londoner Untergrundbahn entführt, wo eine handfeste Überraschung wartet: der Anführer des Konzils ist keineswegs ein Unbekannter, dessen Ziel es ist, ganz London in eine Zombieplage zu stürzen und England damit zurück auf den Weg des wahren Glaubens zu führen. Holmes versetzt man in einen Opiumrausch, aus dem er 40 Stunden später erwacht – in einem London, in dem die Untoten die Herrschaft über die Straßen übernommen haben. Holmes schlägt sich zur Notstandsregierung durch und bringt eine ebenso erschreckende wie logische Forderung vor: nur noch Mr. Hyde kann jetzt helfen, dieser persönlichkeitsgespaltene Psychopath, dessen Gegenmittel die letzte Rettung verspricht…

Sylvain Cordurié liefert in den beiden abschließenden Bänden der Sherlock Holmes-Society-Saga eine furiose Mischung aus Mystery, Okkultismus und Action, in denen die Kunst der Deduktion immer weniger bemüht wird. Holmes erscheint vielmehr als schlagkräftiger Mann der Tat, der in Sorge um seinen Gefährten Watson zu fast allem bereit ist. In einer Mischung aus „Krieg der Welten“ und „The Walking Dead“ fällt eine Zombie-Invasion über London her, das im Kriegszustand versinkt, die Mächtigen des Landes flüchten in die Untergrundbahn, die Militärtruppen aus Band 1 greifen wieder ein und retten auch Holmes den Kragen, wobei über allem die Frage steht: wie reagiert eine humane Gesellschaft auf eine zutiefst inhumane Attacke, die jenseits aller Wertmodelle steht? An dieser Problemstellung, mit der wir uns angesichts Terrorangriffen, Amokläufen und sonstigem Irrsinn mittlerweile fast tagtäglich in der Realität konfrontiert sehen, hangelt sich Cordurié entlang, vermischt dabei wie gewohnt literarische mit realen Personen, greift sich genreübergreifend Elemente aus Detektiv- und Horror-Roman und treibt die Handlung in schnellen Schritten voran.

Als ob Holmes in einen Dan Brown-Roman geraten wäre und im Vatikan irgendwelche Codes und Illuminaten entlarvt, steht das Meisterhirn gegen nichts weniger als die Apokalypse. Durchaus weit entfernt vom etablierten Holmes-Kanon – Dr. Watson aus dem Spiel, Mycroft als Yard-Chef, Sherlock unter Dauerattacken eher wie Sam Spade oder Philip Marlowe, und im Hintergrund eine Verschwörung aus religiösen Fanatikern und wissenschaftlich versierten Zombiemachern -, liefert die Story einen einfallsreichen, validen Beitrag zu Corduriés ganz eigenem viktorianischen Kosmos, in dem es längst nicht nur Jack the Ripper, Dracula und Mr. Hyde, sondern eben auch Zeitreisende und das Necronomicon zu bekämpfen gilt. Alessandro Nespolino und Ronan Toulhoat inszenieren das Ganze stimmig, mit großformatigen Panels, die in den entscheidenden Momenten (wie etwa Holmes Gegenüberstellung mit den Köpfen des Konzils) ganze Seiten einnehmen und damit wie filmische Totalen eines elaboraten Set Pieces wirken. Spannend, schmissig, übernatürlich – und damit elementary, dear Watson. Der vorliegende Splitter Double Band vereint Teil 3 und 4 der „Sherlock Holmes Society“-Storyline („In nomine die“ und „Contamination“), die damit abgeschlossen ist. (hb)

Sherlock Holmes Society, Band 2: In Nomine Dei
Text: Sylvain Cordurié
Bilder: Alessandro Nespolino, Ronan Toulhoat
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-276-2

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