Gefährliche Liebschaften, liaisons dangereuses: das kennt man auch im Superhelden-Lager, und auch der gute Skulldigger ist dagegen nicht gefeit. Als eine hübsche Diebin namens Bijou diverse Raubzüge startet, ist der Kollege mit dem Totenkopf-Kostüm ihr bald auf den Fersen und kann sich ihrer unverhohlenen Avancen nur schwerlich erwehren. Die Ökoaktivistin und Tierschützerin nimmt schließlich einen lumpenhaften Umweltverschmutzer-Großkonzern ins Visier und bittet Skulldigger um Hilfe. Als der dankend ablehnt, engagiert die Gute leichtsinnigerweise den irren Grim Jim – kein Wunder, dass die Lage komplett eskaliert und Bijou ihrem eigenen fehlgeleiteten Idealismus zum Opfer fällt…
Der Klempner-Job lief auch schon besser, aber Lou Kaminski, besser bekannt als Cthu-Lou, hat auch keine gesteigerte Lust auf Aufträge, sondern hängt lieber vor der Glotze ab, was seine schwangere Frau massiv auf die Palme bringt. Als ihn dann der Interdimensionale mittels sprechender Ratte ruft, teilt er zunächst unmissverständlich mit, dass er keinerlei Ambitionen hat, zum grimmen Superwesen aufzusteigen – da müsste man ja den schleimigen Uralten helfen, was so gar nicht in seinem Sinne ist. Als in einer Kneipe allerdings diverse finstere Gestalten (die verdächtig an die Ramones erinnern) an ihm in Richtung Abwasserkanäle ziehen, wird er doch neugierig und stellt fest, dass man eine riesige Maschine baut, die die Dimensionsgrenzen einreißen soll. Das wird ihm dann doch zu bunt, und bewehrt mit Schraubzwinge und Tentakel macht er gegen die Uralten mobil…
Wenn man mit Colonel Weird zu tun hat, wird es immer schräg – das haben auch die Nebenfiguren um Schurkin Miss Moonbeam inklusive Insector und Goose zu spüren bekommen. Jetzt aber will die Holde endlich aus ihrem Dasein als Randnotiz einer abgelehnten Idee heraustreten und sich den „Schöpfern“ als vollgültige Heldin empfehlen. Die nehmen diesen Impuls gerne auf, weisen der anfangs euphorischen Frau Moonbeam allerdings wieder nur eine untergeordnete Rolle in einem Abenteuer von Golden Gal zu. Im Handstreich ändert sie die Storyline, schart diverse „Moon Maidens“ um sich und schickt sich an, eigenhändig die Welt zu retten…
Arizona im Jahr 1955: in einem Altersheim beobachtet der greise Buck, wie der eigentlich doch gutmütige Pfleger Eppley die Habseligkeiten von sterbenden Bewohnern an sich nimmt. Damit konfrontiert, gelobt Eppley zunächst Besserung, überlegt es sich dann aber anders und schickt sich an, Buck gewaltsam zum Schweigen zu bringen. Da hat er allerdings die Rechnung ohne den Wirt in Gestalt des Horseless Riders gemacht: der geisterhafte Rächer tritt ihm entgegen und konfrontiert ihn mit allen armen Seelen, die er bestohlen hat…
Acht Autoren-/Zeichner-Teams, acht Stories: das ist das Konzept der „Visions“-Anthologie, die in dieser Sammlung die letzten vier Kurzgeschichten aus dem Hammerverse präsentiert, die jeweils unterschiedliche Facetten der Helden-Hommage von Jeff Lemire aufgreifen. In der Skulldigger-Story von Kelly Thompson und Leonardo Romero klingt eindeutig die Mesalliance zwischen Batman und Catwoman durch, getränkt in ein melancholisches film noir-setting, das auch optisch durch scharfe Kanten und Licht-/Schatten-Effekte evoziert wird, was bisweilen an Poster von Saul Bass erinnert.
Spaßig-bizarr gehen es Cullen Bunn und Malachi Ward dann mit ihrer Cthu-Lou Story an: der gute Lou faulenzt sich durch den Tag, rettet dann im Alleingang kurz die Welt und landet wieder auf der Couch, wo ihn seine Frau wieder als Nichtsnutz beschimpft. Eine launige Parodie der bedeutungsschwangeren Lovecraft-Welten, die es nur im Hammerverse geben kann und die optisch durch riesige Dimensionen aller Gegenstände hervorlugt.
Direkt auf die Meta-Ebene springt dann die Miss Moonbeam-Story: die durch Tintenkleckse anonymisierten „Schöpfer“ wandern durch die von ihnen geschaffenen Welten, in den abgelehnte oder sekundäre Figuren (die „Vergessenen“) darum kämpfen, auch mal in der Hauptgeschichte auftreten zu dürfen (Deadpool lässt grüßen!). Miss Moonbeam selbst spricht in Filmzitaten („Come with me if you want to live“, „I could have been somebody“), tanzt durch Musical- und Revue-Szenen und sprengt die vierte Wand schließlich komplett in einer abenteuerlich-stilisierten zeichnerischen Umsetzung.
Die abschließende Story um den „Horseless Rider“, wie schon Lou Kaminski eine Nebenfigur aus „Sherlock Frankenstein“, steht schließlich klar im Gefolge von The Spirit und dem Ghostrider: parallel wird da die Origin des Reiters ohne Pferd ausgebreitet, der goldene Kugeln aus goldenen Pistolen schießt und Verbrechen gegen die Toten rächt – und der sich schließlich als Vater von Buck herausstellt, dem er zu Hilfe eilt. Insofern wieder ein wunderbares Beispiel für die vielschichtige Welt, die Jeff Lemire rund um Superheldenmythen, Comic-Konventionen und Fiktion geschaffen hat. Wir hoffen auf mehr! (hb)
Black Hammer Visions, Band 2
Text & Story: Scott Snyder, Cecil Castellucci, Cullen Bunn, Kelly Thompson
Bilder: David Rubín, Leonardo Romero, Malachi Ward, Matthew Sheean, Melissa Duffy
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-224-0