Mitnichten als Resteverwertung gedacht, gibt es nach Band 10, der schon kein „reguläres“ Bruno Brazil-Album mehr darstellte (sondern ältere Kurzgeschichten brachte, verpackt in eine frische Rahmenhandlung), jetzt noch einen Serien-Nachschlag in Form eines Sonderbandes. Der enthält Material aus der Spätzeit der Serie und gibt damit zugleich einen Ausblick, wie die Reihe hätte weitergeführt werden können. Das Album beginnt mit drei Kurzgeschichten, die ursprünglich zwischen 1979 und 1983 in dem vierteljährlichen Super-Tintin erschienen sind. Drei Episoden, die Bruno mit Goucho Morales bestreitet – so geht das Duo einer realistischen Morddrohung gegen einen umstrittenen Politiker nach („Um Haaresbreite“), verhindert einen Mord bei Dreharbeiten im Filmstudio („Töte keine Unsterblichen“) und nimmt an einer Militärübung teil, die von einigen Ganoven ausgenutzt wird („Falsche Manöver und echte Verwirrung“).
Während Zeichner William Vance in der ersten Story noch mit großzügigen ausschweifenden wie stylischen Innen-Dekors ganz nach Art der ausgehenden Siebziger Jahre arbeitet und in der zweiten Geschichte die Darstellung der Personen dominiert, setzt er die Militär-Übung noch eine Stufe filigraner und präziser in Szene, in einem Stil, den wir aus seiner nächsten (und berühmtesten) Serie kennen: Der neue Agententhriller „XIII“ feierte nur ein Jahr später sein Debut und wurde zum Bestseller. Die letzten beiden Kurzgeschichten sind übrigens mit „Greg“ signiert – auf das langjährige Pseudonym Louis Albert verzichtete der Autor am Ende. 1977 gab es noch einmal einen neuen Anlauf für ein neues Bruno Brazil-Album, in dem auch neue Mitstreiter vorgestellt werden sollten (es bleib dann lediglich bei Cheree Lamour). Greg schickte ein Skript für die ersten 20 Seiten und Vance begann mit der Umsetzung.
Doch von „Die rote Kette“ zeichnete Vance nur die ersten sechs Seiten. Da Greg zur der Zeit in den USA lebte, viel beschäftigt war und neues Material so ausblieb, stoppte auch Vance seine Arbeit an dem Album, das somit leider unvollendet blieb. Die sechs gezeichneten Seiten sind in diesem Band enthalten, ebenso wie Gregs Skript bis Seite 20, was einen interessanten Einblick in die Arbeitsweise und die Vorlagen des Autors gibt. Mit „Fragen sie nach Papa Konfuzius…“ folgt nun ein mit einigen Illustrationen angereicherter Kurzroman des Autors Jacques Acar, mit dem Vance bereits bei „Ringo“ (dt. bei Splitter) zusammenarbeitete. Den Abschluss bildet – erstmals auf Deutsch – der Bruno Brazil-Beitrag zu einer kuriosen 60-seitigen SF-Geschichte aus Tintin, bei der etliche Zeichner/Autoren und deren Figuren mitwirkten. Damit ist der „klassische“ Bruno Brazil nun endgültig abgeschlossen. Neue Abenteuer mit dem Zack-Held gibt‘s seit 2019 aus der Feder von Laurent-Frédéric Bollée (u.a. „Terra Australis“) und Philippe Aymond (u.a. „Lady S.“). (bw)
Bruno Brazil, Band 11: Sonderband
Text: Louis Albert (d.i. Greg)
Bilder: William Vance
88 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96804-086-8