Der Seewolf (Splitter)

Juni 23, 2013

Der Seewolf

1904 erschien „Der Seewolf“, einer der berühmtesten Romane Jack Londons. Auf jeden Fall aber ist es jener, der am meisten von uns Deutschen vereinnahmt wurde. Schuld daran ist natürlich Raimund Harmstorf, der in dem Fernseh-Straßenfeger von 1971 die Rolle des Wolf Larsen spielte und dabei seine Kartoffel zerdrückte. Eine Szene der in dieser Comic-Adaption übrigens auch ein Panel gewidmet ist. Erst 2008 und 2009 gab es deutsche TV-Verfilmungen, die an dem Klassiker-Status der Version von 1971 aber nicht rütteln konnten.

Nun also der Comic zum Buch. Die Adaption. Eine undankbare Aufgabe, oder? Doch mit Riff Reb’s ist hier ein Fachmann am Werke, dessen Meeres-Abenteuer „An Bord der Morgenstern“ (im Carlsen Verlag) bereits beeindrucken konnte. Antike Abenteuer zu Wasser sind ganz sein Metier. Laut Verlagsinfo wurde er letztes Jahr vom „Centre International de la Mer Rochefort“ zum besten maritimen Maler ausgezeichnet. Das ist doch was. Und tatsächlich adaptiert er den Klassiker nicht einfach, er interpretiert ihn und hat sogar den Mumm, ihn am Ende zu ändern!

Die Geschichte ist bestens bekannt: Humphrey van Weyden, ein junger Intellektueller, wird während eines Schiffsunglücks bei San Francisco über Bord gespült und von dem Robbenfänger Ghost aufgefischt, der in Richtung Japan unterwegs ist. Kapitän des Schiffs ist Wolf Larsen. Ein faszinierender wie abstoßender Mann von beeindruckender Statur. Auf der einen Seite bedeuten ihm Menschen nichts, er zeigt keinerlei Mitgefühl und regiert seine Mannschaft mit eiserner Hand. Auf der anderen Seite ist er hoch intelligent und beschlagen, ein Mann, der ohne Probleme Shakespeare zitiert und philosophische Betrachtungen anstellt. Van Weyden muss sich zuerst als Küchenjunge verdingen, steigt dann in der Hierarchie, wird quasi ins ‚kalte Wasser geworfen’ und von Larsen zum Steuermann gemacht. Mehrfach droht die Lage zwischen der Mannschaft und dem Kapitän zu eskalieren und als mit der schiffbrüchigen Autorin Maud Brewster eine Frau an Bord kommt, fasst van Weyden den Entschluss zur Flucht. Doch Wolf Larsen und die Ghost lassen ihn nicht los…

Dass sich aufgrund der intellektuellen Gespräche eine gewisse Vertrautheit zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern – van Weyden und Larsen – entwickelt, ist in der Adaption nur zu erahnen. Da hat das geschriebene Wort doch Vorteile. Aber da man die Geschichte kennt, legt man als Leser sein Augenmerk in erster Linie auch mehr auf die Zeichnungen. Und hier dominiert ganz klar der Wow-Effekt.

Riff Reb’s Bilder sind nicht bunt, vielmehr sind die einzelnen Seiten und Episoden monochrom koloriert, in dunklen Farben, so wie einst Stummfilme viragiert wurden, um Stimmungen hervorzuheben. Die beiden Urgewalten, die hier zusammentreffen sind bestens illustriert. Einmal die See, die bisweilen ihr hässliches Gesicht zeigt, dann Wolf Larsen, der dämonische Kapitän und van Weydens Gegner wie auch sein Bruder im intellektuellen Geiste. Wuchtige und kraftvolle Zeichnungen, die das Herzstück einer gelungenen Literatur-Adaption darstellen. Beeindruckend auch die doppelseitigen schwarz-weiß Bilder, jeweils Schiff auf See, die die einzelnen Kapitel trennen. Wem schon ‚An Bord der Morgenstern’ gefallen hat, der wird sich hier bestens aufgehoben fühlen. Tja, und was Riff Reb’s am Ende dann mutig und entschlossen ändert, das wird natürlich nicht verraten…

Die Geschichte erscheint im Splitter Book Format und geht voll als Graphic Novel durch. Ein Band, der dieses Attribut auch mal verdient. (bw)

Der Seewolf
Text und Bilder: Riff Reb’s
136 Seiten in Farbe
Splitter Verlag
24,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-636-3

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