They called us Enemy (Cross Cult)

Juni 16, 2020

Amerika in den späten dreißiger Jahren: der kleine George, benannt nach dem englischen König Georg VI., lebt mit seiner Familie in Los Angeles. Seine Eltern Norman und Emily betreiben eine gutgehende Textilreinigung, bald darf man mit Henry und Nancy zwei weitere Sprösslinge begrüßen. So scheint der amerikanische Traum durchaus ungetrübt, bis es ein jähes Erwachen gibt. George heißt nämlich mit Nachnamen Takei, seine Eltern sind japanischer Abstammung und geraten somit zwischen die Fronten, als die Japaner am 07. Dezember 1941 Pearl Harbor angreifen und die USA kurz darauf in den Krieg eintreten. Schnell kippt die Stimmung gegen die als „Japse“ beschimpften Einwanderer, die kurz vorher noch angesehene Mitglieder ihrer Stadtteile waren. Hetzerische Bürgermeister und Senatoren drängen Präsident Roosevelt schließlich im Februar 1942 zum Erlass der berüchtigten „Durchführungsverordnung 9066“. Die besagt nichts anderes als die Enteignung und Deportation aller Bürger japanischer Abstammung: Konten werden eingefroren, Eigentum konfisziert und die wehrlosen Amerikaner zweiter Klasse in verschiedene „Lager“ übers Land verteilt.

Auch die Familie Takei kann nur das packen, was sie tragen kann (Mutter Takei legt gesteigerten Wert auf ihre Nähmaschine), bevor die Familie zuerst ein paar Tage in den Pferdeställen der örtlichen Rennbahn ein“quartiert“ wird. Kurz darauf bricht die Reise auf nach Arkansas, wo man im östlichsten der Internierungslager Camp Rohwer abgesetzt wird, wo in den folgenden Jahren bis zu 8500 Landsleute mit eingesperrt werden. Hinter Stacheldrahtzaun, in mehr als notdürftigen Hütten, fristet die Familie in glühender Hitze ihr Dasein, während Vater und Mutter ihr Bestes tun, um den Kindern zumindest eine Art von Normalität zu geben. Vater Takei steigt schnell zum Blockwart und Sprecher der Lagerinsassen auf und kann einige Verbesserungen in den Haftbedingungen erwirken. Bald aber fällt er in Ungnade, da er nicht bereit ist, einen Fragebogen zur Zufriedenheit der Behörden auszufüllen. Mit anderen nicht Linientreuen schickt man die Takeis weiter nach Tule Lake in Nordkalifornien, wo sich die Insassen weiter radikalisieren – bis hin zum schicksalhaften Tag, an dem die Amerikaner ihrerseits Japan angreifen und ein Bomber in Richtung Hiroshima unterwegs ist…

Ein Schauspieler, der maßgeblich an einem Stück amerikanischer Popkultur beteiligt war, präsentiert hier auf eindringliche und zutiefst persönliche Art ein düsteres Kapitel der US-Geschichte, das erst durch eine offizielle Entschuldigung von Präsident Reagan zumindest zu einem halbwegs versöhnlichen Ende kam: die Internierung zehntausender japanisch stämmiger Amerikaner im zweiten Weltkrieg, die man einsperrte, nur weil ja überall der Feind lauern konnte, stellt ein selten thematisiertes Trauma einer ganzen Generation dar, an das sich Alan Parker 1990 im Leinwanddrama „Come And See The Paradise“ versuchte. Takeis Beitrag wirkt umso bedrückender, als er die Geschichte aus der Rückschau erzählt und seine Eindrücke als Kind mit der Realität konfrontiert: der kleine George dachte, alle Menschen fahren ungewollt per Zug ins Unbekannte und nennen das Urlaub. Das Lager erscheint ihm als seine Heimat, hinter dem Zaun vermutet er Monster, bis langsam deutlich wird, dass man schlicht und ergreifend ohne Anklage hinter Gittern sitzt. Die Erzählstruktur ist durchzogen von aktuellen Szenen, so etwa Takeis Auftritt in Kyoto 2014, wo er einem ergriffenen Publikum von seinen Erlebnissen berichtet.

Gleichzeitig zeigt sich Takei nicht verbittert, sondern immer standhaft in seinem Glauben an die Demokratie und die unermesslichen Chancen Amerikas, die ihm sein Vater immer nahebrachte. So zeigt er sich zutiefst dankbar für die TV-Karriere, die es ihm als Leutnant Hikaru Sulu, Steuermann der USS Enterprise, ermöglichte, seine Herkunft so stolz zu vertreten, wie ihm dies würdig erschien. Die kurze Episode hierzu, in der Gene Roddenberry ihm 1965 die in Roddenberrys Worten groß angelegte und gewichtige Rolle des Sulu anbietet, gerät dabei ein wenig stilisiert: im ersten Pilotfilm „The Cage“, den der Sender NBC ablehnte, kam die Figur wie fast alle später bekannten Charaktere noch gar nicht vor; erst im zweiten Versuch „Where No Man Has Gone Before“, den der Sender im gleichen Jahr schließlich akzeptierte, versammelten sich die später allgegenwärtigen Gesichter von Kirk, Scott und eben Sulu – einzig und allein der seltsame Spock durfte bleiben, weil Roddenberry auf ihm bestand, und Takei selbst hatte in diesem ersten Auftritt (noch als Mitglied der medizinischen Abteilung des Schiffs!) gerade mal einen einzigen Satz aufzusagen.

Dass allerdings die gesamte Serie eine einzige Allegorie auf den amerikanischen Traum Roddenberrys Prägung war, mit einer bis dahin unerhörten Versammlung aller menschlichen Rassen und mit immer klugen Kommentaren auf Politik und Geschichte, das war Takei, der ab Folge 3 die Funktion des Steuermanns übernahm, von Anfang an klar. Als immer eloquentes Sprachrohr verschiedenster Bewegungen nutzte der seit Langem offen homosexuelle Takei seine Popularität später (nicht zuletzt mit immer lesenswerten Beiträgen auf den einschlägigen sozialen Medien) gezielt zur Etablierung anfänglich kontroverser Themen wie gleichgeschlechtlicher Partnerschaft und Ehe sowie zur unermüdlichen Pflege der amerikanisch-japanischen Beziehungen. Somit bringt diese Autobiografie auf ebenso aufschlussreiche wie kurzweilige Art Licht in ein sehr finsteres Kapitel der amerikanischen Geschichte, das sich an der Grenze zu Mexiko und in Einwanderungsverboten für ganze Völker gerade wiederholt – worauf Takei gegen Ende erschreckt hinweist. Der bis zum Captain aufgestiegene Sulu hätte hiergegen sicherlich einen Kurs programmiert. (hb)

They called us Enemy – Eine Kindheit im Internierungslager
Text: George Takei, Justin Eisinger, Steven Scott
Bilder: Harmony Becker
208 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Cross Cult
25 Euro

ISBN: 978-3-966580-39-7

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