Wilsberg: Um Kopf und Kragen (Carlsen)

Dezember 21, 2017

Münster ist eine der Krimi-Hauptstädte Deutschlands. Denn nicht nur die Herren Thiel und Boerne treiben dort mit ihren Fällen die Tatort Zuschauer-Quote in ständig neue Höhen – auch ein leicht mürrischer, in die Jahre gekommener ehemaliger Anwalt und jetzt Buchhändler mit Antiquariat, der sich nebenher als Privatdetektiv verdingt (oder umgekehrt), ist dort beheimatet. Und das schon seit 1990, also lange bevor die beiden Tatortler ihre Wort-Scharmützel in Münster austrugen. Erfinder von Wilsberg ist der Autor Jürgen Kehrer. Der begann 1990 mit Romanen und ab 1995 werden die Fälle des Ermittlers für das Fernsehen adaptiert, bzw. original geschrieben (bis heute über 50 Fernsehfilme), wobei die Drehbücher zum Teil ebenfalls von Jürgen Kehrer stammen. Und bereits im August 2012 erschien im Carlsen Verlag eine erste Comic-Adaption des Wilsberg-Romans „In alter Freundschaft“. Dann kam lange nix mehr, bis Carlsen nun über fünf ganze Jahre später einen zweiten Band nachlegt.

Der beinhaltet Kurzgeschichten, die in eine Rahmenhandlung eingefasst werden: Während Wilsberg in einer Kneipe ein Fußballspiel schaut, erhält er aufs Handy Drohungen. Im Geiste blickt er auf alte Fälle zurück, um zu sondieren, wer denn nun der Absender sein könnte und noch eine Rechnung mit ihm offen hat. Die Fälle werden dann in Rückblenden in Kurzgeschichten geschildert. Wilsberg macht sich auf die Suche nach einem verschwundenen Obdachlosen samt dessen Hund; er geht einer makabren Todesanzeige für einen Reporter nach, der noch quicklebendig ist und fungiert als dessen Bodyguard. Oder – Achtung meta! – er ist bei den Dreharbeiten zu einem Wilsberg-Film dabei und trifft seinen hadernden Darsteller (das ist Leonard Lansink). Vor dem Ende, das die Rahmenhandlung durchaus überraschend beschließt, lässt er sich sogar – passend zur Jahreszeit – als Weihnachtsmann engagieren und soll als Sündenbock bei einem Mord herhalten, als eine Schwarze Witwe einen weiteren Ehemann „verschleißt“.

Zeichner ist wieder, wie schon beim Band von 2012, Jörg Hartmann. Ein Künstler, der in Münster eine Galerie besitzt (www.extrakt.de), der also beileibe nicht nur Comics macht (obwohl er auch durch den Nostradamus Band bei Ehapa bekannt ist). So punktet die Optik des Bandes einmal durch den Lokalkolorit, den Hartmann logischerweise beisteuert – in Sachen Gebäuden, Parks oder opulenten Stadtansichten, sondern auch durch die Aquarell-Zeichnungen in gediegenen, oft hellen Farben, die man bei einem Krimi-Comic so nicht unbedingt erwartet. Inhaltlich sind die Geschichten sehr kurzweilig und abwechslungsreich. Sie wirken nicht abgehoben, eher wie aus dem Leben gegriffen, obschon auch Action, Schießereien und Dramatik beinhaltet sind. Aber eben auch Humor – so wird die Geschichte um die Wilsberg-Dreharbeiten mit Shakespeare verwoben („Der Rest ist Schweigen“, aus Hamlet) und mit einem selbstparodistischen Dauer-Augenzwinkern serviert. Wenn es bis zu einem eventuellen Band 3 nun keine fünf Jahre dauern würde, wäre das durchaus wünschenswert. (bw)

Wilsberg: Um Kopf und Kragen
Text: Jürgen Kehrer
Bilder: Jörg Hartmann
104 Seiten in Farbe, Hardcover im Kleinformat
Carlsen Verlag
14,90 Euro

ISBN: 978-3-551-78949-5

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