Ein Kleid von Dior (Kult Comics)

August 31, 2017

Paris im Jahre 1947. Nachkriegszeit. Es fehlt noch an vielem. Der Schwarzmarkt blüht. Man nimmt was man kriegt, was gerade da ist. Das betrifft in erster Linie Nahrungsmittel, die obendrein noch rationiert sind. Aber auch Kleidung. Hier liegt der Fokus auf dem Praktischen, allenfalls aus Amerika kommen bescheidene modische Einflüsse. Was nun ein „neuer“ Modeschöpfer mit einem male ändern wird: Christian Dior heißt der Mann, geboren in der Normandie und damals 42 Jahre alt. Gleich mit seiner ersten Kollektion, die er am 12. Februar 1947 vorstellt, revolutioniert er die Modewelt, indem er einen neuen Stil erfindet, der bald als „New Look“ weltweit gefeiert werden sollte. Zeugin und Teilnehmerin dieser Veranstaltung und sogleich Fan der ersten Stunde ist die blutjunge Modejournalistin Clara Nohant. Gemeinsam mit Clara erleben wir den rasanten Aufstieg Diors in der Modewelt. Seinen Erfolg, der sich bald auch international einstellt. Und seine unbändige Arbeitswut. Bald wird Clara selbst Mannequin bei Dior. Sie lernt einen englischen Aristokraten kennen, den sie heiratet, natürlich in einem Kleid ihres Chefs. Dann, 1957, nur elf Jahre nach seinem Debut, stirbt Christian Dior…

Das neueste Werk von Annie Goetzinger war ihr offenbar eine Herzensangelegenheit und ist speziell. Einmal was den Inhalt betrifft. Ein Comic über Mode und über einen Kult-Modeschöpfer im Besonderen: Dior ist als Luxus-Marke heute weltberühmt. Die Person Christian Dior, der Begründer des Konzerns, wirkte nur elf Jahre. In dieser Zeit schuf er 22 Kollektionen. Ein Workaholic, was seiner Gesundheit sicher nicht gerade zuträglich war und womöglich zu seinem frühen, plötzlichen Tod führte. Speziell an „Ein Kleid von Dior“ ist auch die Machart. Die trägt dokumentarische Züge, ähnelt einem Bericht, bzw. einer Reportage. Die Person der Modejournalistin Clara Nohant (die nach ihrem Haarschnitt an die junge Audrey Hepburn erinnert) ist fiktiv. Auch ihr späterer Werdegang. Anfangs stellt der Band Dior und seine Mitarbeiterinnen vor. Ein harter, treuer Kern von fünf Damen, die Keimzelle des Unternehmens. Die erste Modeschau, an der u.a. Marlene Dietrich teilnimmt, wird geschildert, dazwischen erfahren wir immer wieder Branchen-Details, wie zur Herstellung der Kleider und zu den Stoffen.

Nachdem die Anfänge des Unternehmens und der sich umgehend einstellende Erfolg schlaglichtartig beleuchtet sind, schwenkt die Handlung immer wieder und immer mehr zu Clara. Sie wandelt sich beispielhaft vom aufgeregten Journalisten-Küken zur mondänen Dame, die durch das unverhoffte Angebot, Dior-Mannequin zu werden, eine gesellschaftliche Aufwertung erfährt, was schließlich zu einer reichen Heirat führt. Auf der anderen Seite erfährt man – was womöglich dem dokumentarischen Charakter geschuldet ist –wenig über Diors Herkunft, seinen Werdegang vor 1947 oder über das, was ihn antreibt. Auch kaum private Details. Nur das: er bleibt stets bescheiden und behandelt seine Angestellten respektvoll. Aber das Salz in der Suppe bei einem Comic über einen Modeschöpfer sind natürlich dessen Kreationen. Charakteristisch für Diors Entwürfe waren weite, ausschweifende Röcke, schmale Taillen und lange Handschuhe. Und hier tobt sich Annie Goetzinger genüsslich aus und setzt die damaligen Modelle gerne ganzseitig in Szene. Die großen Bilder wirken fast selbst wie Modezeichnungen. Sie zeigen Diors Stil, den New Look, mit all seiner Eleganz, farblich dezent und edel.

Der ungewöhnliche Band (von Goetzinger veröffentlichte der Verlag bereits die beiden Integral Ausgaben der „Detektei Hardy“) ist auch als Deluxe Variante mit einem von Annie Goetzinger signiertem Exlibris in einer limitierten Auflage von nur 99 Stück erhältlich. Beide Varianten beinhalten zusätzlich – für Laien durchaus nützlich – einen ausführlichen Anhang: eine Zeittafel, eine Übersicht über die 22 original Dior Kollektionen, stellvertretend mit ganzseitigen Design-Beispielen. Dann werden die (realen) Personen aus Diors Umfeld vorgestellt (neben seinen Mitarbeitern auch Stars wie Bogart und Bacall, die einen Gastauftritt im Band haben), es gibt einen Überblick über die verwendeten Stoffe und Beschreibungen von Accessoires, mit den Worten Diors. Wahrlich ausführlich. Fazit: eleganter Strich trifft auf elegantes Sujet. Für Mode-Freunde oder –Historiker, für Fans von edler franko-belgischer Comickunst gleichermaßen. (bw)

Ein Kleid von Dior
Text & Bilder: Annie Goetzinger
152 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
29,95 Euro

ISBN: 978-3-946722-10-6

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