Shame (Splitter)

Februar 21, 2016

Shame (Splitter)

Mutter Tugend ist eine stets gütige und hilfsbereite Frau mit magischen Talenten. Sie ist keine Schönheit, Mutterfreuden wurden ihr bisher verwehrt. Nachdem sie von einem Dämon namens Spott heimgesucht wurde, gebiert sie ein Kind. Ein Mädchen, das laut Dämon auf der dunklen Seite der Macht steht, auf der Seite des Bösen, dort, wo es ganz finster ist. Das Kind namens Schande (= Shame) soll Spott dereinst helfen, die Welt zu unterjochen und das Böse herrschen zu lassen. Die entsetzte Mutter Tugend nimmt all ihre Zauberei zusammen und erschafft ein magisches Gefängnis namens Wiege, das ihre Tochter für alle Zeit vor der Welt bewahren soll. Doch wie soll es anders sein – der Plan schlägt fehl. Die inzwischen erwachsene Schande befreit sich mit Hilfe ihres Dämonen-Vaters aus ihrem Gefängnis und rächt sich an ihrer Mutter, indem sie sie tötet und danach mit höllischer Unterstützung wieder gebiert. Das Kind namens Tugend ist somit gleichzeitig Schandes Mutter und Tochter. Und Tugend wird nun aus Rache selbst das Schicksal zuteil, für immer in Wiege eingesperrt zu sein.

Bis Merritt auftaucht, ein wagemutiger wie naiver, dicklicher Jüngling, der es schafft, in Wiege einzudringen, das Gefängnis, das inzwischen von hässlich mutierten Gestalten bevölkert und unüberwindbaren Hecken bewuchert ist und in dessen Mitte die inzwischen herangewachsene, schöne Tugend ihr armseliges, wie gefährliches Dasein fristet. Gemeinsam schaffen es beide aus Wiege zu entkommen, doch werden sie schon bald von den Schatten, den Schergen Schandes und Spotts, überwältigt. Während Tugend in den tiefsten Kerker geworfen wird, wird Merritt von Schande umworben, die ihm vorgaukelt, dass sie selbst Opfer der Machenschaften Spotts geworden sei. Bis es Tugend gelingt, sich zu befreien und es zum finalen Kampf zwischen Gut und Böse kommt, in dem Merritt das Zünglein an der Waage spielt…

John Boltons aktuelles Werk, das von Lovern Kindzierski geschrieben wurde, ist eine Mischung aus Märchen und Fantasy. Wie beim Märchen ist die Geschichte weder örtlich noch zeitlich bestimmt. Es gibt mit Merritt einen Held in leuchtender Rüstung – wenngleich etwas abgewandelt und rein optisch gegen die Rolle besetzt – und die Namen der Damen spiegeln ihre Charakteristika wider und deuten auf den Ausgang der Geschichte hin. Das Böse versteckt sich nicht.

Schön böse: Schande als Kind

Schön böse: Schande als Kind

Die Rollen sind von Beginn an klar verteilt. Schande tritt stets ganz in schwarz auf, ihre Schergen sind verkommene, hässlich pervertierte Subjekte, während Tugend mit ihrer wallenden, roten Mähne und ihrem hellen Erscheinungsbild das Gute verkörpert. Trotzdem haben die beiden Frauenfiguren eines gemeinsam: sie, bzw. ihre Gesichter und Mimiken werden von Bolton hyperrealistisch und anmutig gezeichnet, im krassen Gegensatz zur groben Darstellung der grotesk entstellten Dämonen und Handlanger, allen voran Spott. Warum die beiden Damen sehr gerne leichtgeschürzt auftreten, bleibt im Dunklen, nehmen wir aber gerne so hin – fest steht, dass Tugend und Schande in den großzügigen Panels ein wahrer Augenschmaus sind.

Der Brite John Bolton, der nicht nur Comics zeichnet, ist seit Jahrzehnten berühmt für seine Fantasy-Stoffe und realistischen Bilder. Dabei ist sein Comic-Output verhältnismäßig klein. Jüngst veröffentlichte der All Verlag eine Neuauflage seines Frühwerks ‚Marada, die Wölfin‘ und bei Panini ist von ihm vor einigen Jahren das gefeierte ‚The Green Woman‘ erschienen. Bolton arbeitete bereits mit zahlreichen Größen zusammen, wie beispielsweise Neil Gaiman und war auch schon in Deutschland zu Gast auf der Comic Action in Essen (damals erschien ‚The Art of John Bolton‘ bei mg/publishing – lang ist’s her). Der Kanadier Lovern Kindzierski machte sich nicht nur als Autor einen Namen sondern auch als Kolorist zahlreicher Comic-Serien. Offenbar haben beide hier bestens harmoniert, das Ergebnis ihrer Arbeit ist ein düsteres Fantasy-Märchen, in dem sich das Gute trotz aller Unbill seinen Weg bahnt und das scheinbar übermächtige Böse schließlich stellt. Das zentrale Motiv von Wiedergeburt entbehrt dabei nicht einer gewissen, bittersüßen Ironie: ausgerechnet das unsagbare Böse gebiert das reine Gute. Einbettet ist dieser ewige Konflikt in ein opulentes Bilder- und Grafik-Gewand, an dem man sich erst einmal satt sehen will. (bw)

Shame
Text: Lovern Kindzierski
Bilder: John Bolton
184 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-217-5

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